Dass Hubertus Gosmann einmal im Büro des stellvertretenden Schulleiters sitzen würden, hätte er selbst am wenigsten gedacht. Noch dazu nicht vor dem Schreibtisch, sondern dahinter. Eben als der, für den das Büro da ist. Denn eigentlich wollte Gosmann als „schulmüder Gymnasiast“, der er damals war, nie wieder eine Schule von innen sehen. „Wer braucht schon Latein? Mathe macht keinen Spaß mehr. Stress mit den Eltern. Damals hatte ich die Fragen und Probleme, wie ich sie heute oft bei meinen Schülern erlebe“ sagt der Warsteiner. Statt in die Oberstufe einzutreten, verließ er das Gymnasium mit dem Realschulabschluss.

Text: Matthias Koprek
Fotos: Matthias Koprek

Nichtstun war für ihn keine Option – und schon gar nicht für seine Eltern. Also musste kurz vor dem turnusmäßige Ausbildungsbeginn ein Ausbildungsplatz her. Das Problem: Damals gab es noch einen Arbeitgebermarkt und im Sommer so gut wie keine offenen Stellen mehr. Außer bei der Deutschen Post. Also bewarb er sich mehr oder weniger blind für den Ausbildungsberuf der „Dienstleistungskraft im Postbetrieb“.

„Was man hier lernt, das braucht man im Leben!“

Die Zusage kam prompt. Doch was Gosmann nicht wusste: Das erste Jahr der dreijährigen Ausbildung war ein Vollzeitschuljahr. Und so fand er sich 1992 nach den Sommerferien dort wieder, wo er nie wieder hinwollte: in einem Klassenraum. Diesmal am Hubertus- Schwartz-Berufskolleg in Soest. „Da hatte ich erst einmal einen Schock. Ich merkte allerdings schnell, dass ich die Dinge, die ich hier lerne, wirklich gebrauchen kann. Dass die Themen, die hier behandelt werden, eine unglaubliche Lebensnähe haben, die mich bis heute trägt.“ Und so wurde aus dem Abiturverweigerer plötzlich ein Streber, der in allen elf Fächern die Note eins auf dem Zeugnis bekam. „Aber auch nur, weil wir keinen Sportunterricht hatten, sonst wäre mir das nicht geglückt“, gibt er schmunzelnd zu. Da wusste er freilich noch nicht, dass ab der Mittelstufe der einheitliche Dienstsport zur Pflicht wurde. Dank der guten Noten konnte Gosmann die Ausbildung verkürzen und war nach 2,5 Jahren fertig. Keine vier Wochen später fand er sich in der Rolle des Ausbilders wieder und lernte plötzlich seine gleichaltrigen Kollegen an, die vor kurzem noch neben ihm in der Schulbank saßen.

„Pauker bei uns, das wäre doch was für dich.“

Als Ausbilder kehrte Gosmann regelmäßig zum Hubertus-Schwartz- Berufskolleg zurück, um sich an den Sprechtagen nach seinen Azubis zu erkundigen. Sein ehemaliger Lehrer für Betriebswirtschaft und Rechnungswesen gab die Initialzündung für die Karriere in der Schullaufbahn. „Bei der Post kommt die Privatisierung, da gehen die Lampen aus. Den Job, den du da machst, wird es nicht mehr lange geben. Pauker bei uns, das wäre doch was für dich“, sagte er zu seinem ehemaligen Schüler. Was Gosmann einleuchtet, hatte einen Haken. Ihm fehlte schließlich das Abitur. Also begann er 1995 mit dem Abendgymnasium und saß wieder in der Schule, die er einst genervt verlassen hatte. 1998 folgt dann das Studium in Paderborn. Bei der Post ließ sich Gosmann nur beurlauben: „Es gibt immer den Misserfolgsmeider und den Erfolgssucher. Ich bin von Natur aus eher der Misserfolgsmeider und brauchte die Sicherheit.“ Außerdem jobbte er zwischendurch immer wieder als Postzusteller. „Ich habe zwar nie gern studiert, aber ich wusste, wo ich hinwollte – ans Hubertus-Schwartz-Berufskolleg“, sagt Gosmann. „Für mich war definitiv klar: Ich kann nirgendwo anders Pauker sein als hier. Ich habe diese Schule geliebt und tue es noch heute.“ Allerdings kriegen Referendariaten ihre Schule zugewiesen und können sie sich nicht aussuchen. Weil es dem damaligen Schulleiter höchsten Respekt abverlangte, wie Gosmann sich vom niedrigsten Bildungsgang seiner Schule hochgearbeitet hat, wollte er das unbedingt unterstützen und setze alle Hebel in Bewegung, um ihn an seine Schule zu holen.

„Es muss nicht jedes Kind studieren.“

Seit Anfang des Jahres ist der Oberstudienrat nun stellvertretender Schulleiter des Soester Berufskollegs. Seine eigene Erwerbsbiografie ist der beste Beweis dafür, dass in unserem Bildungssystem jeder alles erreichen kann, wenn er nur will. „Egal aus welcher Situation heraus man startet, welchen Weg man wählt. So kann ein Postbote auch stellvertretender Schulleiter werden“, resümiert Gosmann. Ihm ist es wichtig, auch den Eltern deutlich zu machen, dass nicht jedes Kind studieren muss. Natürlich darf jeder an ein Studium denken. Aber seine Empfehlung lautet: „Macht vorher unbedingt eine Ausbildung. Egal welche. Das sage ich auch meinen Kindern. Wenn es nicht klappt, fängt das Netz euch auf. Mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung hast du immer etwas in der Hand. Und ein viel besseres Verständnis für den Stoff im Studium.“ Außerdem haben Studierende mit Berufsausbildung die Chancen auf deutlich attraktivere Nebenjobs. Schließlich ist nicht jeder mit einem wohlbetuchten Elternhaus gesegnet, welches das Studium mit all seinen Aspekten finanzieren kann. Das Berufskolleg verzeichnet vermehrt Studienabbrecher, die das Studium unterschätzt haben, und dann eine duale Ausbildung absolvieren. Gosmann: „Die starten hier durch wie eine Rakete, weil die genau das erleben, was ich nach dem Abbruch des Gymnasiums erlebt habe. Plötzlich können sie mit entsprechendem Aufwand etwas erreichen. Das zu sehen, motiviert mich total.“

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Dass Hubertus Gosmann einmal im Büro des stellvertretenden Schulleiters sitzen würden, hätte er selbst am wenigsten gedacht. Noch dazu nicht vor dem Schreibtisch, sondern dahinter. Eben als der, für den das Büro da ist. Denn eigentlich wollte Gosmann als „schulmüder Gymnasiast“, der er damals war, nie wieder eine Schule von innen sehen. „Wer braucht schon Latein? Mathe macht keinen Spaß mehr. Stress mit den Eltern. Damals hatte ich die Fragen und Probleme, wie ich sie heute oft bei meinen Schülern erlebe“ sagt der Warsteiner. Statt in die Oberstufe einzutreten, verließ er das Gymnasium mit dem Realschulabschluss.

Text: Matthias Koprek
Fotos: Matthias Koprek

Nichtstun war für ihn keine Option – und schon gar nicht für seine Eltern. Also musste kurz vor dem turnusmäßige Ausbildungsbeginn ein Ausbildungsplatz her. Das Problem: Damals gab es noch einen Arbeitgebermarkt und im Sommer so gut wie keine offenen Stellen mehr. Außer bei der Deutschen Post. Also bewarb er sich mehr oder weniger blind für den Ausbildungsberuf der „Dienstleistungskraft im Postbetrieb“.

„Was man hier lernt, das braucht man im Leben!“

Die Zusage kam prompt. Doch was Gosmann nicht wusste: Das erste Jahr der dreijährigen Ausbildung war ein Vollzeitschuljahr. Und so fand er sich 1992 nach den Sommerferien dort wieder, wo er nie wieder hinwollte: in einem Klassenraum. Diesmal am Hubertus- Schwartz-Berufskolleg in Soest. „Da hatte ich erst einmal einen Schock. Ich merkte allerdings schnell, dass ich die Dinge, die ich hier lerne, wirklich gebrauchen kann. Dass die Themen, die hier behandelt werden, eine unglaubliche Lebensnähe haben, die mich bis heute trägt.“ Und so wurde aus dem Abiturverweigerer plötzlich ein Streber, der in allen elf Fächern die Note eins auf dem Zeugnis bekam. „Aber auch nur, weil wir keinen Sportunterricht hatten, sonst wäre mir das nicht geglückt“, gibt er schmunzelnd zu. Da wusste er freilich noch nicht, dass ab der Mittelstufe der einheitliche Dienstsport zur Pflicht wurde. Dank der guten Noten konnte Gosmann die Ausbildung verkürzen und war nach 2,5 Jahren fertig. Keine vier Wochen später fand er sich in der Rolle des Ausbilders wieder und lernte plötzlich seine gleichaltrigen Kollegen an, die vor kurzem noch neben ihm in der Schulbank saßen.

„Pauker bei uns, das wäre doch was für dich.“

Als Ausbilder kehrte Gosmann regelmäßig zum Hubertus-Schwartz- Berufskolleg zurück, um sich an den Sprechtagen nach seinen Azubis zu erkundigen. Sein ehemaliger Lehrer für Betriebswirtschaft und Rechnungswesen gab die Initialzündung für die Karriere in der Schullaufbahn. „Bei der Post kommt die Privatisierung, da gehen die Lampen aus. Den Job, den du da machst, wird es nicht mehr lange geben. Pauker bei uns, das wäre doch was für dich“, sagte er zu seinem ehemaligen Schüler. Was Gosmann einleuchtet, hatte einen Haken. Ihm fehlte schließlich das Abitur. Also begann er 1995 mit dem Abendgymnasium und saß wieder in der Schule, die er einst genervt verlassen hatte. 1998 folgt dann das Studium in Paderborn. Bei der Post ließ sich Gosmann nur beurlauben: „Es gibt immer den Misserfolgsmeider und den Erfolgssucher. Ich bin von Natur aus eher der Misserfolgsmeider und brauchte die Sicherheit.“ Außerdem jobbte er zwischendurch immer wieder als Postzusteller. „Ich habe zwar nie gern studiert, aber ich wusste, wo ich hinwollte – ans Hubertus-Schwartz-Berufskolleg“, sagt Gosmann. „Für mich war definitiv klar: Ich kann nirgendwo anders Pauker sein als hier. Ich habe diese Schule geliebt und tue es noch heute.“ Allerdings kriegen Referendariaten ihre Schule zugewiesen und können sie sich nicht aussuchen. Weil es dem damaligen Schulleiter höchsten Respekt abverlangte, wie Gosmann sich vom niedrigsten Bildungsgang seiner Schule hochgearbeitet hat, wollte er das unbedingt unterstützen und setze alle Hebel in Bewegung, um ihn an seine Schule zu holen.

„Es muss nicht jedes Kind studieren.“

Seit Anfang des Jahres ist der Oberstudienrat nun stellvertretender Schulleiter des Soester Berufskollegs. Seine eigene Erwerbsbiografie ist der beste Beweis dafür, dass in unserem Bildungssystem jeder alles erreichen kann, wenn er nur will. „Egal aus welcher Situation heraus man startet, welchen Weg man wählt. So kann ein Postbote auch stellvertretender Schulleiter werden“, resümiert Gosmann. Ihm ist es wichtig, auch den Eltern deutlich zu machen, dass nicht jedes Kind studieren muss. Natürlich darf jeder an ein Studium denken. Aber seine Empfehlung lautet: „Macht vorher unbedingt eine Ausbildung. Egal welche. Das sage ich auch meinen Kindern. Wenn es nicht klappt, fängt das Netz euch auf. Mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung hast du immer etwas in der Hand. Und ein viel besseres Verständnis für den Stoff im Studium.“ Außerdem haben Studierende mit Berufsausbildung die Chancen auf deutlich attraktivere Nebenjobs. Schließlich ist nicht jeder mit einem wohlbetuchten Elternhaus gesegnet, welches das Studium mit all seinen Aspekten finanzieren kann. Das Berufskolleg verzeichnet vermehrt Studienabbrecher, die das Studium unterschätzt haben, und dann eine duale Ausbildung absolvieren. Gosmann: „Die starten hier durch wie eine Rakete, weil die genau das erleben, was ich nach dem Abbruch des Gymnasiums erlebt habe. Plötzlich können sie mit entsprechendem Aufwand etwas erreichen. Das zu sehen, motiviert mich total.“

Dass Hubertus Gosmann einmal im Büro des stellvertretenden Schulleiters sitzen würden, hätte er selbst am wenigsten gedacht. Noch dazu nicht vor dem Schreibtisch, sondern dahinter. Eben als der, für den das Büro da ist. Denn eigentlich wollte Gosmann als „schulmüder Gymnasiast“, der er damals war, nie wieder eine Schule von innen sehen. „Wer braucht schon Latein? Mathe macht keinen Spaß mehr. Stress mit den Eltern. Damals hatte ich die Fragen und Probleme, wie ich sie heute oft bei meinen Schülern erlebe“ sagt der Warsteiner. Statt in die Oberstufe einzutreten, verließ er das Gymnasium mit dem Realschulabschluss.

Text: Matthias Koprek
Fotos: Matthias Koprek

Nichtstun war für ihn keine Option – und schon gar nicht für seine Eltern. Also musste kurz vor dem turnusmäßige Ausbildungsbeginn ein Ausbildungsplatz her. Das Problem: Damals gab es noch einen Arbeitgebermarkt und im Sommer so gut wie keine offenen Stellen mehr. Außer bei der Deutschen Post. Also bewarb er sich mehr oder weniger blind für den Ausbildungsberuf der „Dienstleistungskraft im Postbetrieb“.

„Was man hier lernt, das braucht man im Leben!“

Die Zusage kam prompt. Doch was Gosmann nicht wusste: Das erste Jahr der dreijährigen Ausbildung war ein Vollzeitschuljahr. Und so fand er sich 1992 nach den Sommerferien dort wieder, wo er nie wieder hinwollte: in einem Klassenraum. Diesmal am Hubertus- Schwartz-Berufskolleg in Soest. „Da hatte ich erst einmal einen Schock. Ich merkte allerdings schnell, dass ich die Dinge, die ich hier lerne, wirklich gebrauchen kann. Dass die Themen, die hier behandelt werden, eine unglaubliche Lebensnähe haben, die mich bis heute trägt.“ Und so wurde aus dem Abiturverweigerer plötzlich ein Streber, der in allen elf Fächern die Note eins auf dem Zeugnis bekam. „Aber auch nur, weil wir keinen Sportunterricht hatten, sonst wäre mir das nicht geglückt“, gibt er schmunzelnd zu. Da wusste er freilich noch nicht, dass ab der Mittelstufe der einheitliche Dienstsport zur Pflicht wurde. Dank der guten Noten konnte Gosmann die Ausbildung verkürzen und war nach 2,5 Jahren fertig. Keine vier Wochen später fand er sich in der Rolle des Ausbilders wieder und lernte plötzlich seine gleichaltrigen Kollegen an, die vor kurzem noch neben ihm in der Schulbank saßen.

„Pauker bei uns, das wäre doch was für dich.“

Als Ausbilder kehrte Gosmann regelmäßig zum Hubertus-Schwartz- Berufskolleg zurück, um sich an den Sprechtagen nach seinen Azubis zu erkundigen. Sein ehemaliger Lehrer für Betriebswirtschaft und Rechnungswesen gab die Initialzündung für die Karriere in der Schullaufbahn. „Bei der Post kommt die Privatisierung, da gehen die Lampen aus. Den Job, den du da machst, wird es nicht mehr lange geben. Pauker bei uns, das wäre doch was für dich“, sagte er zu seinem ehemaligen Schüler. Was Gosmann einleuchtet, hatte einen Haken. Ihm fehlte schließlich das Abitur. Also begann er 1995 mit dem Abendgymnasium und saß wieder in der Schule, die er einst genervt verlassen hatte. 1998 folgt dann das Studium in Paderborn. Bei der Post ließ sich Gosmann nur beurlauben: „Es gibt immer den Misserfolgsmeider und den Erfolgssucher. Ich bin von Natur aus eher der Misserfolgsmeider und brauchte die Sicherheit.“ Außerdem jobbte er zwischendurch immer wieder als Postzusteller. „Ich habe zwar nie gern studiert, aber ich wusste, wo ich hinwollte – ans Hubertus-Schwartz-Berufskolleg“, sagt Gosmann. „Für mich war definitiv klar: Ich kann nirgendwo anders Pauker sein als hier. Ich habe diese Schule geliebt und tue es noch heute.“ Allerdings kriegen Referendariaten ihre Schule zugewiesen und können sie sich nicht aussuchen. Weil es dem damaligen Schulleiter höchsten Respekt abverlangte, wie Gosmann sich vom niedrigsten Bildungsgang seiner Schule hochgearbeitet hat, wollte er das unbedingt unterstützen und setze alle Hebel in Bewegung, um ihn an seine Schule zu holen.

„Es muss nicht jedes Kind studieren.“

Seit Anfang des Jahres ist der Oberstudienrat nun stellvertretender Schulleiter des Soester Berufskollegs. Seine eigene Erwerbsbiografie ist der beste Beweis dafür, dass in unserem Bildungssystem jeder alles erreichen kann, wenn er nur will. „Egal aus welcher Situation heraus man startet, welchen Weg man wählt. So kann ein Postbote auch stellvertretender Schulleiter werden“, resümiert Gosmann. Ihm ist es wichtig, auch den Eltern deutlich zu machen, dass nicht jedes Kind studieren muss. Natürlich darf jeder an ein Studium denken. Aber seine Empfehlung lautet: „Macht vorher unbedingt eine Ausbildung. Egal welche. Das sage ich auch meinen Kindern. Wenn es nicht klappt, fängt das Netz euch auf. Mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung hast du immer etwas in der Hand. Und ein viel besseres Verständnis für den Stoff im Studium.“ Außerdem haben Studierende mit Berufsausbildung die Chancen auf deutlich attraktivere Nebenjobs. Schließlich ist nicht jeder mit einem wohlbetuchten Elternhaus gesegnet, welches das Studium mit all seinen Aspekten finanzieren kann. Das Berufskolleg verzeichnet vermehrt Studienabbrecher, die das Studium unterschätzt haben, und dann eine duale Ausbildung absolvieren. Gosmann: „Die starten hier durch wie eine Rakete, weil die genau das erleben, was ich nach dem Abbruch des Gymnasiums erlebt habe. Plötzlich können sie mit entsprechendem Aufwand etwas erreichen. Das zu sehen, motiviert mich total.“

Dass Hubertus Gosmann einmal im Büro des stellvertretenden Schulleiters sitzen würden, hätte er selbst am wenigsten gedacht. Noch dazu nicht vor dem Schreibtisch, sondern dahinter. Eben als der, für den das Büro da ist. Denn eigentlich wollte Gosmann als „schulmüder Gymnasiast“, der er damals war, nie wieder eine Schule von innen sehen. „Wer braucht schon Latein? Mathe macht keinen Spaß mehr. Stress mit den Eltern. Damals hatte ich die Fragen und Probleme, wie ich sie heute oft bei meinen Schülern erlebe“ sagt der Warsteiner. Statt in die Oberstufe einzutreten, verließ er das Gymnasium mit dem Realschulabschluss.

Text: Matthias Koprek
Fotos: Matthias Koprek

Nichtstun war für ihn keine Option – und schon gar nicht für seine Eltern. Also musste kurz vor dem turnusmäßige Ausbildungsbeginn ein Ausbildungsplatz her. Das Problem: Damals gab es noch einen Arbeitgebermarkt und im Sommer so gut wie keine offenen Stellen mehr. Außer bei der Deutschen Post. Also bewarb er sich mehr oder weniger blind für den Ausbildungsberuf der „Dienstleistungskraft im Postbetrieb“.

„Was man hier lernt, das braucht man im Leben!“

Die Zusage kam prompt. Doch was Gosmann nicht wusste: Das erste Jahr der dreijährigen Ausbildung war ein Vollzeitschuljahr. Und so fand er sich 1992 nach den Sommerferien dort wieder, wo er nie wieder hinwollte: in einem Klassenraum. Diesmal am Hubertus- Schwartz-Berufskolleg in Soest. „Da hatte ich erst einmal einen Schock. Ich merkte allerdings schnell, dass ich die Dinge, die ich hier lerne, wirklich gebrauchen kann. Dass die Themen, die hier behandelt werden, eine unglaubliche Lebensnähe haben, die mich bis heute trägt.“ Und so wurde aus dem Abiturverweigerer plötzlich ein Streber, der in allen elf Fächern die Note eins auf dem Zeugnis bekam. „Aber auch nur, weil wir keinen Sportunterricht hatten, sonst wäre mir das nicht geglückt“, gibt er schmunzelnd zu. Da wusste er freilich noch nicht, dass ab der Mittelstufe der einheitliche Dienstsport zur Pflicht wurde. Dank der guten Noten konnte Gosmann die Ausbildung verkürzen und war nach 2,5 Jahren fertig. Keine vier Wochen später fand er sich in der Rolle des Ausbilders wieder und lernte plötzlich seine gleichaltrigen Kollegen an, die vor kurzem noch neben ihm in der Schulbank saßen.

„Pauker bei uns, das wäre doch was für dich.“

Als Ausbilder kehrte Gosmann regelmäßig zum Hubertus-Schwartz- Berufskolleg zurück, um sich an den Sprechtagen nach seinen Azubis zu erkundigen. Sein ehemaliger Lehrer für Betriebswirtschaft und Rechnungswesen gab die Initialzündung für die Karriere in der Schullaufbahn. „Bei der Post kommt die Privatisierung, da gehen die Lampen aus. Den Job, den du da machst, wird es nicht mehr lange geben. Pauker bei uns, das wäre doch was für dich“, sagte er zu seinem ehemaligen Schüler. Was Gosmann einleuchtet, hatte einen Haken. Ihm fehlte schließlich das Abitur. Also begann er 1995 mit dem Abendgymnasium und saß wieder in der Schule, die er einst genervt verlassen hatte. 1998 folgt dann das Studium in Paderborn. Bei der Post ließ sich Gosmann nur beurlauben: „Es gibt immer den Misserfolgsmeider und den Erfolgssucher. Ich bin von Natur aus eher der Misserfolgsmeider und brauchte die Sicherheit.“ Außerdem jobbte er zwischendurch immer wieder als Postzusteller. „Ich habe zwar nie gern studiert, aber ich wusste, wo ich hinwollte – ans Hubertus-Schwartz-Berufskolleg“, sagt Gosmann. „Für mich war definitiv klar: Ich kann nirgendwo anders Pauker sein als hier. Ich habe diese Schule geliebt und tue es noch heute.“ Allerdings kriegen Referendariaten ihre Schule zugewiesen und können sie sich nicht aussuchen. Weil es dem damaligen Schulleiter höchsten Respekt abverlangte, wie Gosmann sich vom niedrigsten Bildungsgang seiner Schule hochgearbeitet hat, wollte er das unbedingt unterstützen und setze alle Hebel in Bewegung, um ihn an seine Schule zu holen.

„Es muss nicht jedes Kind studieren.“

Seit Anfang des Jahres ist der Oberstudienrat nun stellvertretender Schulleiter des Soester Berufskollegs. Seine eigene Erwerbsbiografie ist der beste Beweis dafür, dass in unserem Bildungssystem jeder alles erreichen kann, wenn er nur will. „Egal aus welcher Situation heraus man startet, welchen Weg man wählt. So kann ein Postbote auch stellvertretender Schulleiter werden“, resümiert Gosmann. Ihm ist es wichtig, auch den Eltern deutlich zu machen, dass nicht jedes Kind studieren muss. Natürlich darf jeder an ein Studium denken. Aber seine Empfehlung lautet: „Macht vorher unbedingt eine Ausbildung. Egal welche. Das sage ich auch meinen Kindern. Wenn es nicht klappt, fängt das Netz euch auf. Mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung hast du immer etwas in der Hand. Und ein viel besseres Verständnis für den Stoff im Studium.“ Außerdem haben Studierende mit Berufsausbildung die Chancen auf deutlich attraktivere Nebenjobs. Schließlich ist nicht jeder mit einem wohlbetuchten Elternhaus gesegnet, welches das Studium mit all seinen Aspekten finanzieren kann. Das Berufskolleg verzeichnet vermehrt Studienabbrecher, die das Studium unterschätzt haben, und dann eine duale Ausbildung absolvieren. Gosmann: „Die starten hier durch wie eine Rakete, weil die genau das erleben, was ich nach dem Abbruch des Gymnasiums erlebt habe. Plötzlich können sie mit entsprechendem Aufwand etwas erreichen. Das zu sehen, motiviert mich total.“

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