Ein Farbfoto vom Siedlinghauser Künstler Paul Stipp zu machen, ist keine leichte Aufgabe. Ab Betreten seines Hauses dominiert schwarz-weiß, und zwar in einer Konsequenz, die selten anzutreffen ist: Die Materialen, die Inneneinrichtung, die eigenen Werke, das alles wirkt so intensiv, dass man meinen möchte, das Haus sei um sie herumgebaut worden. Wer daraus aber den Schluss zieht, hier regiere Kühle und Sterilität, irrt. Das Gegenteil ist der Fall, und man rätselt erst einmal, wie man diese Kombination aus äußerlicher Strenge und offener, selbstverständlicher Freundlichkeit bei so angenehmer Wohnatmosphäre so perfekt hinbekommt.

Doch Paul Stipp beherrscht nicht nur Gestaltung in jeder Hinsicht, er weiß auch, wie man den Umgang mit Menschen pflegt. Stundenlang möchte man mit ihm über Kunst und Kultur, über seine Werke, seinen Begegnungen mit den ganz Großen der Fotografie reden und diskutieren. Es müssen faszinierende Jahre gewesen sein, in denen er als Art Director und Creative Director führender deutscher Agenturen Werbekampagnen für große, bekannte Unternehmen erfolgreich entscheidend mitprägte. Doch Paul Stipp ist nicht nur ein sehr freundlicher, sondern auch sehr kultivierter und höflicher Mensch, so dass man ihn schon ein wenig locken muss, wenn man dazu mehr erfahren möchte. Doch es lohnt sich:

 

Eine Reise durch erfolgreiche Jahrzehnte: Der Art- und Creative Director Paul Stipp

Wenig überraschend: Wie so oft in der Kriegs- oder Nachkriegsgeneration verlief das Leben auch bei Paul Stipp unter schwierigen Umständen zunächst wenig gradlinig. Drei Monate vor der Geburt 1942 fiel der Vater im 2. Weltkrieg. Für jemanden, der unter solchen Bedingungen in Siedlinghausen  aufwuchs, war die Mittlere Reife mehr als ein erster kleiner Meilenstein im Lebenslauf. Darauf ließ sich aufbauen: Nach der Schriftsetzerlehre (1959 – 1961) wollte er mehr und studierte nach einem strengen Ausleseverfahren bis 1965 Grafik-Design an der Werkkunstschule Dortmund.

„Mit einer Mappe unterm Arm habe ich mich anschließend in Düsseldorf vorgestellt. Dort gab es Verbindungen, weil es einige Siedlinghauser dorthin verschlagen hatte“, erinnert sich Paul Stipp. „Was soll ich sagen? Ich sollte schon am nächsten Tag anfangen, hatte aber keine Wohnung. Man hat mir dann einige Wochen die Übernachtungskosten im Hotel bezahlt.“ Der Name der Agentur: Gramm & Grey, die schon früh weltweit führende Unternehmen zu ihren Kunden zählen konnte.  

„Ja, ich war auch gut“ – Paul Stipp sagt das mit einem Lachen so unaffektiert, so selbstverständlich,  dass es eher nach Understatement klingt. Sonst wäre sein so schneller Aufstieg zum Art Director auch kaum zu erklären. Es sollte sogar noch höher hinauf gehen. Schon in den 70er Jahren war er bei Dr. Hegemann, Düsseldorf, als Creative Director in der Werbebranche weit oben angekommen. Das i-Tüpfelchen setzten die Jahre 1988 bis zum Ruhestand 2003 als Creative Director und Mitgesellschafter der Werbeagentur Adpoint, ebenfalls Düsseldorf.

 

Das kreative Umfeld

Doch mit welchen Kunden hatte es Paul Stipp zu tun? Für ihn ist das alles noch sehr präsent, im Nu kann er die Namen „runterbeten“, von ARAL und Deutsche Telekom über Goodyear, Jacobs Suchard und Krombacher bis zu Reemtsma und Schüco. In Sekunden zaubert er „seine“ Prospekte aus dem vollen, aber wohlsortierten Bücherregal. „Hier, Dornbracht, da habe ich unter anderem das Logo entworfen, die ganze Kampagne, sehr edel ist das alles, überragend das Design der Objekte. Oder Blendax – Damals gab es ja nur eine Sorte Zahnpasta. Das war gar nicht so einfach, denen näher zu bringen, dass es auch Zahnpasta mit verschiedenen Geschmacksrichtungen geben könnte.“

Was ihn mindestens ebenso prägte, waren die vielen Kontakte zu anderen Kreativen, vor allem auch Fotografen. Wir reden hier nicht von guten, sondern von den Besten wie Peter Lindbergh, Reinhart Wolf, Hans Hansen, Werner Bockelberg, Will McBride oder Dietmar Henneka. Das „Who’s who“ der Werbefotografie damals. „Mit Henneka haben wir schwarze Luxusautos vor schwarzem Hintergrund fotografiert, nur das kleine Werbeprodukt, um das es eigentlich ging, war speziell im Licht und nur im Außenspiegel sichtbar.“ Man spürt, wie solche Ideen ihn selbst begeisterten, wieviel Spaß und Freude ihm das gemacht haben muss, immer etwas Neues und Besonderes auszuhecken, dabei mit Dimensionen zu spielen, gegen den Trend, fast spielerisch, mit Finesse, geradezu raffiniert im besten Sinne. Vor allem: innovativ.

Eigentlich harte Arbeit, wäre da nicht diese fast schon unbändige Leidenschaft gewesen, die alles trug: 

Zur Verabschiedung in den Ruhestand schenkten ihm befreundete Kolleginnen und Kollegen ein – wie sollte es anders sein - außergewöhnliches - Buch mit ihren Erinnerungen an Paul Stipp und  Wünschen für die Zukunft. Man möchte hier am liebsten alles zeigen, exemplarisch aber sei zitiert, wie eine Mitarbeiterin ihn erlebt hat: „„Ein langer schwarzer Schatten stürmt die Prepoint (Anmerkung: Firmenbezeichnung). Mit seinen großen Schritten erreicht er beinahe Schallgeschwindigkeit. Kaum knallt er die Tür, kniet er auch schon neben einem… Der Kopf ist voller Ideen und die müssen raus. Sofort!...“

Wohlgemerkt: Hier war die Rede von einem über 60-Jährigen, der quasi schon alles erreicht hatte!

 

Der Künstler Paul Stipp

Der Umzug von Düsseldorf nach Siedlinghausen erfolgte pünktlich zum Renteneintritt. Zurück in die alte Heimat zu gehen, ist ja ein häufig zu beobachtendes Phänomen in diesem Alter. Neben den Erinnerungen an die Kindheit mag es der Wunsch gewesen zu sein, sich abseits der Großstadthektik ein neues Tätigkeitsfeld zu erschließen, für das ungestörtes Arbeiten eine wichtige Voraussetzung ist: Kunst! Eigene Kunst, „auch wenn ich das Leben in Düsseldorf erst sehr vermisst habe, zum Beispiel die Zeitschriftenhändler und Büchereien mit internationalen Fachinformationen“.

„Ich hatte aber das Gefühl, mit dem, was mich jahrzehntelang beschäftigt hatte, noch nicht fertig zu sein. Die Typografie, die Buchstaben und Zahlen, die ich immer für einen bestimmten Zweck wählen und einsetzen musste… Ich wollte das endlich auch mal anders umsetzen, freier und unabhängiger, nicht als Vehikel zum Zweck. Sie hatten das verdient nach all den Jahren.“

Denn bei aller Wertschätzung für die Fotografie geht er auf Distanz, wenn es etwa heißt „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“. Er erklärt das so: „Wer auf die Kulturtechnik des Schreibens und Lesens meint verzichten zu können und sich stattdessen vorgefertigten Bildern ausliefert, der beschneidet die Fähigkeit, in seinem Kopf eigene Bilder zu kreieren.“

Aus diesem Verständnis heraus entstand eine erste Serie von außergewöhnlichen und großformatigen Werken, die bei zahlreichen Ausstellungen große Beachtung fand. Für ihn manchmal zu viel, denn „schon drei Tage nach der Ausstellung 2004 in Berlin waren erste Kopien meiner Ideen und Werke im Internet zu sehen“.

Paul Stipp hat sein Werk weiterentwickelt. Nach Buchstaben und Zahlen wurden Satzzeichen, Worte und Zitate zu seinen Lieblingssujets. Neu sind jetzt freie Arbeiten, nicht aber völlig ohne Bezug zu den alten Themen. Es geht um Reste von Gegenständlichem, welches sich zunächst kaum erkennbar, dann plötzlich, auftut und erschließen lässt. Ganz aktuell interessiert ihn der Pinselstrich, “das heißt die Strukturen, die ein Pinsel hinterlässt, beispielsweise wie in der japanischen Malerei.“

Wie war das noch? „Der Kopf voller Ideen und die müssen raus?“ Was ihn besonders umtreibt, ist der Wunsch nach einer  Ausstellung im heimatlichen Raum, in einem Museum mit den entsprechenden Möglichkeiten und dem entsprechenden „Gewicht“.  

Er hätte es ganz sicher verdient.

Text & Fotos: Georg Hennecke

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Ein Farbfoto vom Siedlinghauser Künstler Paul Stipp zu machen, ist keine leichte Aufgabe. Ab Betreten seines Hauses dominiert schwarz-weiß, und zwar in einer Konsequenz, die selten anzutreffen ist: Die Materialen, die Inneneinrichtung, die eigenen Werke, das alles wirkt so intensiv, dass man meinen möchte, das Haus sei um sie herumgebaut worden. Wer daraus aber den Schluss zieht, hier regiere Kühle und Sterilität, irrt. Das Gegenteil ist der Fall, und man rätselt erst einmal, wie man diese Kombination aus äußerlicher Strenge und offener, selbstverständlicher Freundlichkeit bei so angenehmer Wohnatmosphäre so perfekt hinbekommt.

Doch Paul Stipp beherrscht nicht nur Gestaltung in jeder Hinsicht, er weiß auch, wie man den Umgang mit Menschen pflegt. Stundenlang möchte man mit ihm über Kunst und Kultur, über seine Werke, seinen Begegnungen mit den ganz Großen der Fotografie reden und diskutieren. Es müssen faszinierende Jahre gewesen sein, in denen er als Art Director und Creative Director führender deutscher Agenturen Werbekampagnen für große, bekannte Unternehmen erfolgreich entscheidend mitprägte. Doch Paul Stipp ist nicht nur ein sehr freundlicher, sondern auch sehr kultivierter und höflicher Mensch, so dass man ihn schon ein wenig locken muss, wenn man dazu mehr erfahren möchte. Doch es lohnt sich:

 

Eine Reise durch erfolgreiche Jahrzehnte: Der Art- und Creative Director Paul Stipp

Wenig überraschend: Wie so oft in der Kriegs- oder Nachkriegsgeneration verlief das Leben auch bei Paul Stipp unter schwierigen Umständen zunächst wenig gradlinig. Drei Monate vor der Geburt 1942 fiel der Vater im 2. Weltkrieg. Für jemanden, der unter solchen Bedingungen in Siedlinghausen  aufwuchs, war die Mittlere Reife mehr als ein erster kleiner Meilenstein im Lebenslauf. Darauf ließ sich aufbauen: Nach der Schriftsetzerlehre (1959 – 1961) wollte er mehr und studierte nach einem strengen Ausleseverfahren bis 1965 Grafik-Design an der Werkkunstschule Dortmund.

„Mit einer Mappe unterm Arm habe ich mich anschließend in Düsseldorf vorgestellt. Dort gab es Verbindungen, weil es einige Siedlinghauser dorthin verschlagen hatte“, erinnert sich Paul Stipp. „Was soll ich sagen? Ich sollte schon am nächsten Tag anfangen, hatte aber keine Wohnung. Man hat mir dann einige Wochen die Übernachtungskosten im Hotel bezahlt.“ Der Name der Agentur: Gramm & Grey, die schon früh weltweit führende Unternehmen zu ihren Kunden zählen konnte.  

„Ja, ich war auch gut“ – Paul Stipp sagt das mit einem Lachen so unaffektiert, so selbstverständlich,  dass es eher nach Understatement klingt. Sonst wäre sein so schneller Aufstieg zum Art Director auch kaum zu erklären. Es sollte sogar noch höher hinauf gehen. Schon in den 70er Jahren war er bei Dr. Hegemann, Düsseldorf, als Creative Director in der Werbebranche weit oben angekommen. Das i-Tüpfelchen setzten die Jahre 1988 bis zum Ruhestand 2003 als Creative Director und Mitgesellschafter der Werbeagentur Adpoint, ebenfalls Düsseldorf.

 

Das kreative Umfeld

Doch mit welchen Kunden hatte es Paul Stipp zu tun? Für ihn ist das alles noch sehr präsent, im Nu kann er die Namen „runterbeten“, von ARAL und Deutsche Telekom über Goodyear, Jacobs Suchard und Krombacher bis zu Reemtsma und Schüco. In Sekunden zaubert er „seine“ Prospekte aus dem vollen, aber wohlsortierten Bücherregal. „Hier, Dornbracht, da habe ich unter anderem das Logo entworfen, die ganze Kampagne, sehr edel ist das alles, überragend das Design der Objekte. Oder Blendax – Damals gab es ja nur eine Sorte Zahnpasta. Das war gar nicht so einfach, denen näher zu bringen, dass es auch Zahnpasta mit verschiedenen Geschmacksrichtungen geben könnte.“

Was ihn mindestens ebenso prägte, waren die vielen Kontakte zu anderen Kreativen, vor allem auch Fotografen. Wir reden hier nicht von guten, sondern von den Besten wie Peter Lindbergh, Reinhart Wolf, Hans Hansen, Werner Bockelberg, Will McBride oder Dietmar Henneka. Das „Who’s who“ der Werbefotografie damals. „Mit Henneka haben wir schwarze Luxusautos vor schwarzem Hintergrund fotografiert, nur das kleine Werbeprodukt, um das es eigentlich ging, war speziell im Licht und nur im Außenspiegel sichtbar.“ Man spürt, wie solche Ideen ihn selbst begeisterten, wieviel Spaß und Freude ihm das gemacht haben muss, immer etwas Neues und Besonderes auszuhecken, dabei mit Dimensionen zu spielen, gegen den Trend, fast spielerisch, mit Finesse, geradezu raffiniert im besten Sinne. Vor allem: innovativ.

Eigentlich harte Arbeit, wäre da nicht diese fast schon unbändige Leidenschaft gewesen, die alles trug: 

Zur Verabschiedung in den Ruhestand schenkten ihm befreundete Kolleginnen und Kollegen ein – wie sollte es anders sein - außergewöhnliches - Buch mit ihren Erinnerungen an Paul Stipp und  Wünschen für die Zukunft. Man möchte hier am liebsten alles zeigen, exemplarisch aber sei zitiert, wie eine Mitarbeiterin ihn erlebt hat: „„Ein langer schwarzer Schatten stürmt die Prepoint (Anmerkung: Firmenbezeichnung). Mit seinen großen Schritten erreicht er beinahe Schallgeschwindigkeit. Kaum knallt er die Tür, kniet er auch schon neben einem… Der Kopf ist voller Ideen und die müssen raus. Sofort!...“

Wohlgemerkt: Hier war die Rede von einem über 60-Jährigen, der quasi schon alles erreicht hatte!

 

Der Künstler Paul Stipp

Der Umzug von Düsseldorf nach Siedlinghausen erfolgte pünktlich zum Renteneintritt. Zurück in die alte Heimat zu gehen, ist ja ein häufig zu beobachtendes Phänomen in diesem Alter. Neben den Erinnerungen an die Kindheit mag es der Wunsch gewesen zu sein, sich abseits der Großstadthektik ein neues Tätigkeitsfeld zu erschließen, für das ungestörtes Arbeiten eine wichtige Voraussetzung ist: Kunst! Eigene Kunst, „auch wenn ich das Leben in Düsseldorf erst sehr vermisst habe, zum Beispiel die Zeitschriftenhändler und Büchereien mit internationalen Fachinformationen“.

„Ich hatte aber das Gefühl, mit dem, was mich jahrzehntelang beschäftigt hatte, noch nicht fertig zu sein. Die Typografie, die Buchstaben und Zahlen, die ich immer für einen bestimmten Zweck wählen und einsetzen musste… Ich wollte das endlich auch mal anders umsetzen, freier und unabhängiger, nicht als Vehikel zum Zweck. Sie hatten das verdient nach all den Jahren.“

Denn bei aller Wertschätzung für die Fotografie geht er auf Distanz, wenn es etwa heißt „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“. Er erklärt das so: „Wer auf die Kulturtechnik des Schreibens und Lesens meint verzichten zu können und sich stattdessen vorgefertigten Bildern ausliefert, der beschneidet die Fähigkeit, in seinem Kopf eigene Bilder zu kreieren.“

Aus diesem Verständnis heraus entstand eine erste Serie von außergewöhnlichen und großformatigen Werken, die bei zahlreichen Ausstellungen große Beachtung fand. Für ihn manchmal zu viel, denn „schon drei Tage nach der Ausstellung 2004 in Berlin waren erste Kopien meiner Ideen und Werke im Internet zu sehen“.

Paul Stipp hat sein Werk weiterentwickelt. Nach Buchstaben und Zahlen wurden Satzzeichen, Worte und Zitate zu seinen Lieblingssujets. Neu sind jetzt freie Arbeiten, nicht aber völlig ohne Bezug zu den alten Themen. Es geht um Reste von Gegenständlichem, welches sich zunächst kaum erkennbar, dann plötzlich, auftut und erschließen lässt. Ganz aktuell interessiert ihn der Pinselstrich, “das heißt die Strukturen, die ein Pinsel hinterlässt, beispielsweise wie in der japanischen Malerei.“

Wie war das noch? „Der Kopf voller Ideen und die müssen raus?“ Was ihn besonders umtreibt, ist der Wunsch nach einer  Ausstellung im heimatlichen Raum, in einem Museum mit den entsprechenden Möglichkeiten und dem entsprechenden „Gewicht“.  

Er hätte es ganz sicher verdient.

Text & Fotos: Georg Hennecke

Ein Farbfoto vom Siedlinghauser Künstler Paul Stipp zu machen, ist keine leichte Aufgabe. Ab Betreten seines Hauses dominiert schwarz-weiß, und zwar in einer Konsequenz, die selten anzutreffen ist: Die Materialen, die Inneneinrichtung, die eigenen Werke, das alles wirkt so intensiv, dass man meinen möchte, das Haus sei um sie herumgebaut worden. Wer daraus aber den Schluss zieht, hier regiere Kühle und Sterilität, irrt. Das Gegenteil ist der Fall, und man rätselt erst einmal, wie man diese Kombination aus äußerlicher Strenge und offener, selbstverständlicher Freundlichkeit bei so angenehmer Wohnatmosphäre so perfekt hinbekommt.

Doch Paul Stipp beherrscht nicht nur Gestaltung in jeder Hinsicht, er weiß auch, wie man den Umgang mit Menschen pflegt. Stundenlang möchte man mit ihm über Kunst und Kultur, über seine Werke, seinen Begegnungen mit den ganz Großen der Fotografie reden und diskutieren. Es müssen faszinierende Jahre gewesen sein, in denen er als Art Director und Creative Director führender deutscher Agenturen Werbekampagnen für große, bekannte Unternehmen erfolgreich entscheidend mitprägte. Doch Paul Stipp ist nicht nur ein sehr freundlicher, sondern auch sehr kultivierter und höflicher Mensch, so dass man ihn schon ein wenig locken muss, wenn man dazu mehr erfahren möchte. Doch es lohnt sich:

 

Eine Reise durch erfolgreiche Jahrzehnte: Der Art- und Creative Director Paul Stipp

Wenig überraschend: Wie so oft in der Kriegs- oder Nachkriegsgeneration verlief das Leben auch bei Paul Stipp unter schwierigen Umständen zunächst wenig gradlinig. Drei Monate vor der Geburt 1942 fiel der Vater im 2. Weltkrieg. Für jemanden, der unter solchen Bedingungen in Siedlinghausen  aufwuchs, war die Mittlere Reife mehr als ein erster kleiner Meilenstein im Lebenslauf. Darauf ließ sich aufbauen: Nach der Schriftsetzerlehre (1959 – 1961) wollte er mehr und studierte nach einem strengen Ausleseverfahren bis 1965 Grafik-Design an der Werkkunstschule Dortmund.

„Mit einer Mappe unterm Arm habe ich mich anschließend in Düsseldorf vorgestellt. Dort gab es Verbindungen, weil es einige Siedlinghauser dorthin verschlagen hatte“, erinnert sich Paul Stipp. „Was soll ich sagen? Ich sollte schon am nächsten Tag anfangen, hatte aber keine Wohnung. Man hat mir dann einige Wochen die Übernachtungskosten im Hotel bezahlt.“ Der Name der Agentur: Gramm & Grey, die schon früh weltweit führende Unternehmen zu ihren Kunden zählen konnte.  

„Ja, ich war auch gut“ – Paul Stipp sagt das mit einem Lachen so unaffektiert, so selbstverständlich,  dass es eher nach Understatement klingt. Sonst wäre sein so schneller Aufstieg zum Art Director auch kaum zu erklären. Es sollte sogar noch höher hinauf gehen. Schon in den 70er Jahren war er bei Dr. Hegemann, Düsseldorf, als Creative Director in der Werbebranche weit oben angekommen. Das i-Tüpfelchen setzten die Jahre 1988 bis zum Ruhestand 2003 als Creative Director und Mitgesellschafter der Werbeagentur Adpoint, ebenfalls Düsseldorf.

 

Das kreative Umfeld

Doch mit welchen Kunden hatte es Paul Stipp zu tun? Für ihn ist das alles noch sehr präsent, im Nu kann er die Namen „runterbeten“, von ARAL und Deutsche Telekom über Goodyear, Jacobs Suchard und Krombacher bis zu Reemtsma und Schüco. In Sekunden zaubert er „seine“ Prospekte aus dem vollen, aber wohlsortierten Bücherregal. „Hier, Dornbracht, da habe ich unter anderem das Logo entworfen, die ganze Kampagne, sehr edel ist das alles, überragend das Design der Objekte. Oder Blendax – Damals gab es ja nur eine Sorte Zahnpasta. Das war gar nicht so einfach, denen näher zu bringen, dass es auch Zahnpasta mit verschiedenen Geschmacksrichtungen geben könnte.“

Was ihn mindestens ebenso prägte, waren die vielen Kontakte zu anderen Kreativen, vor allem auch Fotografen. Wir reden hier nicht von guten, sondern von den Besten wie Peter Lindbergh, Reinhart Wolf, Hans Hansen, Werner Bockelberg, Will McBride oder Dietmar Henneka. Das „Who’s who“ der Werbefotografie damals. „Mit Henneka haben wir schwarze Luxusautos vor schwarzem Hintergrund fotografiert, nur das kleine Werbeprodukt, um das es eigentlich ging, war speziell im Licht und nur im Außenspiegel sichtbar.“ Man spürt, wie solche Ideen ihn selbst begeisterten, wieviel Spaß und Freude ihm das gemacht haben muss, immer etwas Neues und Besonderes auszuhecken, dabei mit Dimensionen zu spielen, gegen den Trend, fast spielerisch, mit Finesse, geradezu raffiniert im besten Sinne. Vor allem: innovativ.

Eigentlich harte Arbeit, wäre da nicht diese fast schon unbändige Leidenschaft gewesen, die alles trug: 

Zur Verabschiedung in den Ruhestand schenkten ihm befreundete Kolleginnen und Kollegen ein – wie sollte es anders sein - außergewöhnliches - Buch mit ihren Erinnerungen an Paul Stipp und  Wünschen für die Zukunft. Man möchte hier am liebsten alles zeigen, exemplarisch aber sei zitiert, wie eine Mitarbeiterin ihn erlebt hat: „„Ein langer schwarzer Schatten stürmt die Prepoint (Anmerkung: Firmenbezeichnung). Mit seinen großen Schritten erreicht er beinahe Schallgeschwindigkeit. Kaum knallt er die Tür, kniet er auch schon neben einem… Der Kopf ist voller Ideen und die müssen raus. Sofort!...“

Wohlgemerkt: Hier war die Rede von einem über 60-Jährigen, der quasi schon alles erreicht hatte!

 

Der Künstler Paul Stipp

Der Umzug von Düsseldorf nach Siedlinghausen erfolgte pünktlich zum Renteneintritt. Zurück in die alte Heimat zu gehen, ist ja ein häufig zu beobachtendes Phänomen in diesem Alter. Neben den Erinnerungen an die Kindheit mag es der Wunsch gewesen zu sein, sich abseits der Großstadthektik ein neues Tätigkeitsfeld zu erschließen, für das ungestörtes Arbeiten eine wichtige Voraussetzung ist: Kunst! Eigene Kunst, „auch wenn ich das Leben in Düsseldorf erst sehr vermisst habe, zum Beispiel die Zeitschriftenhändler und Büchereien mit internationalen Fachinformationen“.

„Ich hatte aber das Gefühl, mit dem, was mich jahrzehntelang beschäftigt hatte, noch nicht fertig zu sein. Die Typografie, die Buchstaben und Zahlen, die ich immer für einen bestimmten Zweck wählen und einsetzen musste… Ich wollte das endlich auch mal anders umsetzen, freier und unabhängiger, nicht als Vehikel zum Zweck. Sie hatten das verdient nach all den Jahren.“

Denn bei aller Wertschätzung für die Fotografie geht er auf Distanz, wenn es etwa heißt „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“. Er erklärt das so: „Wer auf die Kulturtechnik des Schreibens und Lesens meint verzichten zu können und sich stattdessen vorgefertigten Bildern ausliefert, der beschneidet die Fähigkeit, in seinem Kopf eigene Bilder zu kreieren.“

Aus diesem Verständnis heraus entstand eine erste Serie von außergewöhnlichen und großformatigen Werken, die bei zahlreichen Ausstellungen große Beachtung fand. Für ihn manchmal zu viel, denn „schon drei Tage nach der Ausstellung 2004 in Berlin waren erste Kopien meiner Ideen und Werke im Internet zu sehen“.

Paul Stipp hat sein Werk weiterentwickelt. Nach Buchstaben und Zahlen wurden Satzzeichen, Worte und Zitate zu seinen Lieblingssujets. Neu sind jetzt freie Arbeiten, nicht aber völlig ohne Bezug zu den alten Themen. Es geht um Reste von Gegenständlichem, welches sich zunächst kaum erkennbar, dann plötzlich, auftut und erschließen lässt. Ganz aktuell interessiert ihn der Pinselstrich, “das heißt die Strukturen, die ein Pinsel hinterlässt, beispielsweise wie in der japanischen Malerei.“

Wie war das noch? „Der Kopf voller Ideen und die müssen raus?“ Was ihn besonders umtreibt, ist der Wunsch nach einer  Ausstellung im heimatlichen Raum, in einem Museum mit den entsprechenden Möglichkeiten und dem entsprechenden „Gewicht“.  

Er hätte es ganz sicher verdient.

Text & Fotos: Georg Hennecke

Ein Farbfoto vom Siedlinghauser Künstler Paul Stipp zu machen, ist keine leichte Aufgabe. Ab Betreten seines Hauses dominiert schwarz-weiß, und zwar in einer Konsequenz, die selten anzutreffen ist: Die Materialen, die Inneneinrichtung, die eigenen Werke, das alles wirkt so intensiv, dass man meinen möchte, das Haus sei um sie herumgebaut worden. Wer daraus aber den Schluss zieht, hier regiere Kühle und Sterilität, irrt. Das Gegenteil ist der Fall, und man rätselt erst einmal, wie man diese Kombination aus äußerlicher Strenge und offener, selbstverständlicher Freundlichkeit bei so angenehmer Wohnatmosphäre so perfekt hinbekommt.

Doch Paul Stipp beherrscht nicht nur Gestaltung in jeder Hinsicht, er weiß auch, wie man den Umgang mit Menschen pflegt. Stundenlang möchte man mit ihm über Kunst und Kultur, über seine Werke, seinen Begegnungen mit den ganz Großen der Fotografie reden und diskutieren. Es müssen faszinierende Jahre gewesen sein, in denen er als Art Director und Creative Director führender deutscher Agenturen Werbekampagnen für große, bekannte Unternehmen erfolgreich entscheidend mitprägte. Doch Paul Stipp ist nicht nur ein sehr freundlicher, sondern auch sehr kultivierter und höflicher Mensch, so dass man ihn schon ein wenig locken muss, wenn man dazu mehr erfahren möchte. Doch es lohnt sich:

 

Eine Reise durch erfolgreiche Jahrzehnte: Der Art- und Creative Director Paul Stipp

Wenig überraschend: Wie so oft in der Kriegs- oder Nachkriegsgeneration verlief das Leben auch bei Paul Stipp unter schwierigen Umständen zunächst wenig gradlinig. Drei Monate vor der Geburt 1942 fiel der Vater im 2. Weltkrieg. Für jemanden, der unter solchen Bedingungen in Siedlinghausen  aufwuchs, war die Mittlere Reife mehr als ein erster kleiner Meilenstein im Lebenslauf. Darauf ließ sich aufbauen: Nach der Schriftsetzerlehre (1959 – 1961) wollte er mehr und studierte nach einem strengen Ausleseverfahren bis 1965 Grafik-Design an der Werkkunstschule Dortmund.

„Mit einer Mappe unterm Arm habe ich mich anschließend in Düsseldorf vorgestellt. Dort gab es Verbindungen, weil es einige Siedlinghauser dorthin verschlagen hatte“, erinnert sich Paul Stipp. „Was soll ich sagen? Ich sollte schon am nächsten Tag anfangen, hatte aber keine Wohnung. Man hat mir dann einige Wochen die Übernachtungskosten im Hotel bezahlt.“ Der Name der Agentur: Gramm & Grey, die schon früh weltweit führende Unternehmen zu ihren Kunden zählen konnte.  

„Ja, ich war auch gut“ – Paul Stipp sagt das mit einem Lachen so unaffektiert, so selbstverständlich,  dass es eher nach Understatement klingt. Sonst wäre sein so schneller Aufstieg zum Art Director auch kaum zu erklären. Es sollte sogar noch höher hinauf gehen. Schon in den 70er Jahren war er bei Dr. Hegemann, Düsseldorf, als Creative Director in der Werbebranche weit oben angekommen. Das i-Tüpfelchen setzten die Jahre 1988 bis zum Ruhestand 2003 als Creative Director und Mitgesellschafter der Werbeagentur Adpoint, ebenfalls Düsseldorf.

 

Das kreative Umfeld

Doch mit welchen Kunden hatte es Paul Stipp zu tun? Für ihn ist das alles noch sehr präsent, im Nu kann er die Namen „runterbeten“, von ARAL und Deutsche Telekom über Goodyear, Jacobs Suchard und Krombacher bis zu Reemtsma und Schüco. In Sekunden zaubert er „seine“ Prospekte aus dem vollen, aber wohlsortierten Bücherregal. „Hier, Dornbracht, da habe ich unter anderem das Logo entworfen, die ganze Kampagne, sehr edel ist das alles, überragend das Design der Objekte. Oder Blendax – Damals gab es ja nur eine Sorte Zahnpasta. Das war gar nicht so einfach, denen näher zu bringen, dass es auch Zahnpasta mit verschiedenen Geschmacksrichtungen geben könnte.“

Was ihn mindestens ebenso prägte, waren die vielen Kontakte zu anderen Kreativen, vor allem auch Fotografen. Wir reden hier nicht von guten, sondern von den Besten wie Peter Lindbergh, Reinhart Wolf, Hans Hansen, Werner Bockelberg, Will McBride oder Dietmar Henneka. Das „Who’s who“ der Werbefotografie damals. „Mit Henneka haben wir schwarze Luxusautos vor schwarzem Hintergrund fotografiert, nur das kleine Werbeprodukt, um das es eigentlich ging, war speziell im Licht und nur im Außenspiegel sichtbar.“ Man spürt, wie solche Ideen ihn selbst begeisterten, wieviel Spaß und Freude ihm das gemacht haben muss, immer etwas Neues und Besonderes auszuhecken, dabei mit Dimensionen zu spielen, gegen den Trend, fast spielerisch, mit Finesse, geradezu raffiniert im besten Sinne. Vor allem: innovativ.

Eigentlich harte Arbeit, wäre da nicht diese fast schon unbändige Leidenschaft gewesen, die alles trug: 

Zur Verabschiedung in den Ruhestand schenkten ihm befreundete Kolleginnen und Kollegen ein – wie sollte es anders sein - außergewöhnliches - Buch mit ihren Erinnerungen an Paul Stipp und  Wünschen für die Zukunft. Man möchte hier am liebsten alles zeigen, exemplarisch aber sei zitiert, wie eine Mitarbeiterin ihn erlebt hat: „„Ein langer schwarzer Schatten stürmt die Prepoint (Anmerkung: Firmenbezeichnung). Mit seinen großen Schritten erreicht er beinahe Schallgeschwindigkeit. Kaum knallt er die Tür, kniet er auch schon neben einem… Der Kopf ist voller Ideen und die müssen raus. Sofort!...“

Wohlgemerkt: Hier war die Rede von einem über 60-Jährigen, der quasi schon alles erreicht hatte!

 

Der Künstler Paul Stipp

Der Umzug von Düsseldorf nach Siedlinghausen erfolgte pünktlich zum Renteneintritt. Zurück in die alte Heimat zu gehen, ist ja ein häufig zu beobachtendes Phänomen in diesem Alter. Neben den Erinnerungen an die Kindheit mag es der Wunsch gewesen zu sein, sich abseits der Großstadthektik ein neues Tätigkeitsfeld zu erschließen, für das ungestörtes Arbeiten eine wichtige Voraussetzung ist: Kunst! Eigene Kunst, „auch wenn ich das Leben in Düsseldorf erst sehr vermisst habe, zum Beispiel die Zeitschriftenhändler und Büchereien mit internationalen Fachinformationen“.

„Ich hatte aber das Gefühl, mit dem, was mich jahrzehntelang beschäftigt hatte, noch nicht fertig zu sein. Die Typografie, die Buchstaben und Zahlen, die ich immer für einen bestimmten Zweck wählen und einsetzen musste… Ich wollte das endlich auch mal anders umsetzen, freier und unabhängiger, nicht als Vehikel zum Zweck. Sie hatten das verdient nach all den Jahren.“

Denn bei aller Wertschätzung für die Fotografie geht er auf Distanz, wenn es etwa heißt „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“. Er erklärt das so: „Wer auf die Kulturtechnik des Schreibens und Lesens meint verzichten zu können und sich stattdessen vorgefertigten Bildern ausliefert, der beschneidet die Fähigkeit, in seinem Kopf eigene Bilder zu kreieren.“

Aus diesem Verständnis heraus entstand eine erste Serie von außergewöhnlichen und großformatigen Werken, die bei zahlreichen Ausstellungen große Beachtung fand. Für ihn manchmal zu viel, denn „schon drei Tage nach der Ausstellung 2004 in Berlin waren erste Kopien meiner Ideen und Werke im Internet zu sehen“.

Paul Stipp hat sein Werk weiterentwickelt. Nach Buchstaben und Zahlen wurden Satzzeichen, Worte und Zitate zu seinen Lieblingssujets. Neu sind jetzt freie Arbeiten, nicht aber völlig ohne Bezug zu den alten Themen. Es geht um Reste von Gegenständlichem, welches sich zunächst kaum erkennbar, dann plötzlich, auftut und erschließen lässt. Ganz aktuell interessiert ihn der Pinselstrich, “das heißt die Strukturen, die ein Pinsel hinterlässt, beispielsweise wie in der japanischen Malerei.“

Wie war das noch? „Der Kopf voller Ideen und die müssen raus?“ Was ihn besonders umtreibt, ist der Wunsch nach einer  Ausstellung im heimatlichen Raum, in einem Museum mit den entsprechenden Möglichkeiten und dem entsprechenden „Gewicht“.  

Er hätte es ganz sicher verdient.

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