Carsten Peters ist Energieberater der Verbraucherzentrale Arnsberg und absoluter Verfechter der Energiewende. Beim Blick auf den Hochsauerlandkreis stellt der Diplom-Ingenieur einen „riesigen Nachholbedarf“ bei der Wärmeversorgung mit erneuerbaren Energien fest und beziffert den Anteil auf 15 bis 20 Prozent. Bei der Stromversorgung, so Peters, liegt demgegenüber der Anteil bei fast 50 Prozent. Vor diesem Hintergrund sieht Peters das Sauerland mit den vielen kleinen Dörfern als geradezu ideal für Nahwärmekonzepte mit erneuerbarer Energie aus der Region. „Die Dörfer sind Klassiker für eine zentrale Versorgung mit ökologisch und sozial nachhaltigen Lösungen.“ Ebbinghof, Wallen, Referinghausen und Oberschledorn setzen im Hochsauerlandkreis Maßstäbe - als Bioenergiedörfer oder als Energie(klug) – und sind Vorreiter der Energiewende in der Region. 

Text: Paul Senske, Fotos: privat 

Das erste Bioenergiedorf in NRW 

29 Einwohner, eine intakte Dorfgemeinschaft, zwei Vollerwerbslandwirte, die früh auf die Karte „Erneuerbare Energien“ gesetzt haben: Ebbinghof, Ortsteil der Klimakommune Schmallenberg, zeichnet eine zu 100 Prozent autarke und regenerative Energieversorgung aus. Am 27. März 2010 wurde Ebbinghof als erstes Bioenergiedorf in NRW ausgezeichnet. Bioenergiedörfer sind Orte, die mindestens 50 Prozent ihres Energieverbrauchs an Strom und Wärme mit lokal/regional erzeugter Biomasse decken. Die beiden Landwirte, Georg Muth-Köhne und Hubertus Peitz, sehen sich nicht als „Öko-Freaks“, sondern als hart kalkulierende Geschäftsleute. Ziel war ein von Beginn an rentabler und regenerativer Energiekreislauf. Photovoltaikanlagen, Biogasanlage und ein Blockheizkraftwerk, das Wärme und Strom erzeugt sowie die Beteiligung der Einwohnerinnen und Einwohner: Ebbinghof hat seinen Weg gefunden. Ebbinghof erzeugt gut acht Prozent des in Schmallenberg verbrauchten Stroms. Mit der Wärme werden in Ebbinghof Wohngebäude, das Hotel und Ställe geheizt. Zudem nutzen das SauerlandBad, das Musikbildungszentrum sowie Büros und Werkstätten die Wärme. Die Biogasanlage und das Blockheizkraftwerk werden von einer GmbH getragen. Gesellschafter sind Georg Muth-Köhne und Hubertus Peitz. Betreiber des Nahwärmenetzes 1 ist die Dorfgemeinschaft, für das Nahwärmenetz 2 sind die Stadtwerke Schmallenberg verantwortlich, das Bauunternehmen Feldhaus betreibt das dritte Netz. 

Der Klimawandel als Motivation in Wallen 

Ökologisch, preiswert und sichere Wärmeversorgung: Das ist das Bioenergiedorf Wallen (Volksmund: „Calle-Wallen“) bei Meschede. „Wallen ist ebenfalls ein gelungenen Bespiel für die Energiewende“, so Peters. Die Motivation der Menschen? „Das war der Klimawandel“. Ein Blockheizkraftwerk beliefert rund 90 Prozent der knapp 120 Haushalte mit Wärme (auch Mehrzweckhalle). Sie stammt zu 40 Prozent aus der Biogasanlage des örtlichen Landwirts Seemer, den Rest liefert eine genossenschaftlich organisierte Hackschnitzelanlage. Außerdem ist auf dem Haus des Holzlagers eine Photovoltaikanlage installiert, die den regenerativ gewonnenen Strom ins öffentliche Netz einspeist. Die Gründung der Genossenschaft erfolgte am 31. Januar 2011. Alle angeschlossenen Haushalte sind zugleich Mitglied und Kunde der Genossenschaft. Die Finanzierung des Projekts erfolgte über den Ansatz des Crowdfunding, eben in der Form der Genossenschaft.  

Oberschledorn hat sich auf den Weg gemacht

„Unser Ziel ist, gemeinsam eine regionale und nachhaltige Lösung zu finden, um den Klimawandel zu bremsen und uns von allen geopolitischen Entwicklungen unabhängig zu machen, den dörflichen Zusammenhalt zu stärken und ein Wir-Gefühl zu erzeugen.“ So umschreibt Willi Dessel, der Ortsvorsteher von Oberschledorn, den Willen und den Weg, das 882 Seelen zählenden Dorf zu einem Bioenergiedorf zu entwickeln. Seit April 2022 befasst sich das größte Dorf der Stadt Medebach mit dem Thema, ein Nahwärmenetz aufzubauen. Eine neunköpfige Arbeitsgruppe („Schleidern Bio Energy“) wurde ins Leben gerufen, die intensiv an diesem Projekt arbeitet und alle Möglichkeiten auslotet. Es wurden viele Informationen eingeholt und   Nahwärmnetze besichtigt.  Gespräche mit Betreibern fanden statt, wie beispielsweise mit dem Biogasanlagen-Betreiber Frese in Titmaringhausen. „Schnell wurde klar, dass eine Zusammenarbeit, gerade in den Sommermonaten, durch ein Leitungsnetz bis Oberschledorn mit der Biogaslange Frese möglich ist“, so Dessel. 

Ein wichtiger Schritt war eine Machbarkeitsanalyse im Dorf. 280 Hauseigentümer wurden angeschrieben und gebeten, einen Energie-Erfassungsbogen auszufüllen. Bis zum Stichtag (25. September) kamen 190 Erfassungsbögen zurück, die ca. 255 Haushalte und öffentliche Gebäude vertreten. Nur vier Eigentümer haben mit NEIN geantwortet. „Dieses sehr positive Ergebnis bedeutet den klaren Auftrag für die Arbeitsgruppe, weiter intensiv am Aufbau eines Nahwärmenetzes intensiv zuarbeiten.“ Als nächster Schritt ist eine Bürgerinformations-Veranstaltung geplant. Auch und besonders soll die Arbeit der Projektgruppe weiter professionalisiert werden. Die Stadt Medebach steht voll hinter dem Projekt. Gespräche mit Betreibern und der Effizienzagentur NRW wurden bereits geführt. Alle Planungen laufen bisher über die Projektgruppe. Es gibt noch keinen Verein, Betreiber oder Gesellschaft. 

Wichtige Fragen müssen geklärt werden. So muss schnell der Standort für die Heizzentrale gefunden werden. Freiflächen für PV-Anlagen und Solarthermie sind ebenfalls denkbar, auch die „Wasserstofftechnologie“ soll in die Planung einbezogen werden. „Es liegt nun an den Einwohnerinnen und Einwohnern, sich verbindlich zum Aufbau des Nahwärmenetzes zu verpflichten“, betont Dessel. 

Elf Architektur-Studierende der Yale-Universität waren kürzlich in Referinghausen um Ideen und Perspektiven für das Leben im ländlichen Raum zu entwickeln. Nun analysieren sie zunächst das Dorf und präsentieren im  Dezember erstmalig ihre Ergebnisse, die im Frühjahr auch der Dorfgemeinschaft.

Evtl. sind Referinhauser Ende nächsten Jahres bei der Tagung einer Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen, bei der es um Wohn- und Lebensformen der Zukunft geht.

ImSauerland hält sie weiter auf dem Laufenden.

Referinghausen ist „Energie(klug)“

„Klein, aber oho“ – und wie! Referinghausen, das Q-Dorf – nach eigener Aussage mit mehr Kühen als Einwohnern (215) -  ist ein Vorzeigedorf in Sachen Energiewende. Der Ort war 2015 eines der HSK-Dörfer im Modellprojekt u. a. der Landesregierung und der Südwestfalenagentur „Dorf ist Energie(klug)“ – und hat eine Menge daraus gemacht. Milchlehrpfad, Energiemärkte, Energieatlas Referinghausen, Energiespartage, verstärkte Kooperation mit der Verbraucherzentrale sind herausragende Beispiele. Zudem ist das Dorf komplett mit 88 Häusern (inklusive der öffentlichen Gebäude Kirche, Pfarrheim, Schützenhalle und Feuerwehrhaus) an das Fernwärmenetz angeschlossen. „Wir heizen unsere Häuser somit vollständig mit Speiseresten und damit klimafreundlich sowie CO2-neutral – und zu Spitzenzeiten im Winter ggfs. zusätzlich mit Hackschnitzeln“, berichtet Ortsvorsteher Reinhard Figgen. Das Fernwärmenetz in Referinghausen wird aus der Abwärme der Biogaslange Frese in Titmaringhausen gespeist. Der komplette Medebacher Ortsteil Titmaringhausen hat seit Jahren ein Fernwärmenetz, welches diese Abwärme nutzt. Referinghausen ist jetzt quasi die Erweiterung.  

Dreislar hatte ebenfalls am Projekt teilgenommen (Nahwärmeversorgung mittels Holzhackschnitzelwerke in Kombination mit einem Thermosolargroßfeld, Bürgerenergiegenossenschaft). Das Projekt war schon weit gediehen, ist dann aber aufgrund der damals deutlich sinkenden Ölpreise ad acta gelegt worden. Viele Hauseigentürmer hatten damals das Risiko einer Investition gescheut, da man auf weiterhin sinkende Ölpreise hoffte. Heute wäre man wahrscheinlich froh, wenn man das Projekt damals umgesetzt hätte. 

Wirtschaftliche und soziale Aspekte sind wichtig 

Für Peters spielen wirtschaftliche und soziale Gründe bei der Energiewende vor Ort eine entscheidende Rolle. „Die Frage: Ist es nicht wirtschaftlich sinnvoller, in ein Nahwärmenetz mit erneuerbaren Energie zu investieren, Mitglied der Genossenschaft zu werden, als wenn sich jeder eine eigene Anlage baut?“ Peters nennt ein Beispiel (mit Wärmepumpen). Ein Dorf mit 100 Einwohnern: Jeder investiert in eine Wärmepumpe, Lieferzeit ein Jahr, Kosten 40.000 Euro, Gesamt 4 Millionen für das Dorf. Natürlich müssen die Förderungen (30 bis 40 Prozent) abgezogen werden. Macht unterm Strich rund 30.000 bzw. drei Millionen. Demgegenüber sei es überlegenswert - so Peters - das Geld einmalig in ein zentrales Nahwärmenetz mit erneuerbaren Energien zu investieren. „In diesem Fall kann man vor die Haustür gucken, man ist unabhängig, braucht keine dramatisch steigenden Preise zu fürchten.“ Das sei ein nicht zu unterschätzender sozialer Aspekt.  

Peters: „Energiekümmerer“ und Öffentlichkeitsarbeit 

Natürlich macht sich Peters auch Gedanken um den weiteren Gang der Energiewende in den Sauerländer Dörfern. „Wichtig ist eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit, die die Notwendigkeit und vor allem die Vorteile der Bioenergiedörfer deutlich herausstellt.“ Auf der anderen Seite nimmt der Energieberater Politik und Verwaltung in die Pflicht. „Dörfer, die sich auf den Weg machen, benötigen Support. Das könnte die Mescheder Kreisverwaltung oder die Südwestfalenagentur sein. Der Hochsauerlandkreis als Kümmerer der Energiewende in den Dörfern und sich damit selbst auf den Weg zum grünen Kreis macht, das wäre eine phantastische Sache. Das ist eine riesige Chance.“  

Welche Kriterien muss ein Bioenergiedorf erfüllen?

Damit ein Ort als Bioenergiedorf bezeichnet werden kann, muss das Dorf mindestens 50 Prozent seines Energieverbrauchs an Strom und Wärme mit lokal/regional erzeugter Bioenergie decken. Meistes werden dafür Biomasse, Photovoltaik und auch Windenergie verwendet. Andere Alternativen: Biomasse können Gülle, Getreidepflanzen oder auch Bioabfälle sein. Ein wichtiges Kriterium ist die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger beispielsweise als Mitglieder in Genossenschaften. Damit sind sie auch an Entscheidungen beteiligt, was den Zusammenhalt im Dorf stärkt. 

Das erste Bioenergiedorf war 2004 Jühnde (Südniedersachsen, Landkreis Göttingen). Derzeit sind deutlich über 170 Bioenergiedörfer in Deutschland gelistet. Die meisten befinden sich im Süden der Republik, Bayern und Baden-Württemberg. Weitere über 50 Ortschaften werden in mittelbarer Zukunft den Statuts Bioenergiedorf erreichen. In NRW sieht es eher mau aus. 

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Neues und Lesenswertes im Sauerland

Carsten Peters ist Energieberater der Verbraucherzentrale Arnsberg und absoluter Verfechter der Energiewende. Beim Blick auf den Hochsauerlandkreis stellt der Diplom-Ingenieur einen „riesigen Nachholbedarf“ bei der Wärmeversorgung mit erneuerbaren Energien fest und beziffert den Anteil auf 15 bis 20 Prozent. Bei der Stromversorgung, so Peters, liegt demgegenüber der Anteil bei fast 50 Prozent. Vor diesem Hintergrund sieht Peters das Sauerland mit den vielen kleinen Dörfern als geradezu ideal für Nahwärmekonzepte mit erneuerbarer Energie aus der Region. „Die Dörfer sind Klassiker für eine zentrale Versorgung mit ökologisch und sozial nachhaltigen Lösungen.“ Ebbinghof, Wallen, Referinghausen und Oberschledorn setzen im Hochsauerlandkreis Maßstäbe - als Bioenergiedörfer oder als Energie(klug) – und sind Vorreiter der Energiewende in der Region. 

Text: Paul Senske, Fotos: privat 

Das erste Bioenergiedorf in NRW 

29 Einwohner, eine intakte Dorfgemeinschaft, zwei Vollerwerbslandwirte, die früh auf die Karte „Erneuerbare Energien“ gesetzt haben: Ebbinghof, Ortsteil der Klimakommune Schmallenberg, zeichnet eine zu 100 Prozent autarke und regenerative Energieversorgung aus. Am 27. März 2010 wurde Ebbinghof als erstes Bioenergiedorf in NRW ausgezeichnet. Bioenergiedörfer sind Orte, die mindestens 50 Prozent ihres Energieverbrauchs an Strom und Wärme mit lokal/regional erzeugter Biomasse decken. Die beiden Landwirte, Georg Muth-Köhne und Hubertus Peitz, sehen sich nicht als „Öko-Freaks“, sondern als hart kalkulierende Geschäftsleute. Ziel war ein von Beginn an rentabler und regenerativer Energiekreislauf. Photovoltaikanlagen, Biogasanlage und ein Blockheizkraftwerk, das Wärme und Strom erzeugt sowie die Beteiligung der Einwohnerinnen und Einwohner: Ebbinghof hat seinen Weg gefunden. Ebbinghof erzeugt gut acht Prozent des in Schmallenberg verbrauchten Stroms. Mit der Wärme werden in Ebbinghof Wohngebäude, das Hotel und Ställe geheizt. Zudem nutzen das SauerlandBad, das Musikbildungszentrum sowie Büros und Werkstätten die Wärme. Die Biogasanlage und das Blockheizkraftwerk werden von einer GmbH getragen. Gesellschafter sind Georg Muth-Köhne und Hubertus Peitz. Betreiber des Nahwärmenetzes 1 ist die Dorfgemeinschaft, für das Nahwärmenetz 2 sind die Stadtwerke Schmallenberg verantwortlich, das Bauunternehmen Feldhaus betreibt das dritte Netz. 

Der Klimawandel als Motivation in Wallen 

Ökologisch, preiswert und sichere Wärmeversorgung: Das ist das Bioenergiedorf Wallen (Volksmund: „Calle-Wallen“) bei Meschede. „Wallen ist ebenfalls ein gelungenen Bespiel für die Energiewende“, so Peters. Die Motivation der Menschen? „Das war der Klimawandel“. Ein Blockheizkraftwerk beliefert rund 90 Prozent der knapp 120 Haushalte mit Wärme (auch Mehrzweckhalle). Sie stammt zu 40 Prozent aus der Biogasanlage des örtlichen Landwirts Seemer, den Rest liefert eine genossenschaftlich organisierte Hackschnitzelanlage. Außerdem ist auf dem Haus des Holzlagers eine Photovoltaikanlage installiert, die den regenerativ gewonnenen Strom ins öffentliche Netz einspeist. Die Gründung der Genossenschaft erfolgte am 31. Januar 2011. Alle angeschlossenen Haushalte sind zugleich Mitglied und Kunde der Genossenschaft. Die Finanzierung des Projekts erfolgte über den Ansatz des Crowdfunding, eben in der Form der Genossenschaft.  

Oberschledorn hat sich auf den Weg gemacht

„Unser Ziel ist, gemeinsam eine regionale und nachhaltige Lösung zu finden, um den Klimawandel zu bremsen und uns von allen geopolitischen Entwicklungen unabhängig zu machen, den dörflichen Zusammenhalt zu stärken und ein Wir-Gefühl zu erzeugen.“ So umschreibt Willi Dessel, der Ortsvorsteher von Oberschledorn, den Willen und den Weg, das 882 Seelen zählenden Dorf zu einem Bioenergiedorf zu entwickeln. Seit April 2022 befasst sich das größte Dorf der Stadt Medebach mit dem Thema, ein Nahwärmenetz aufzubauen. Eine neunköpfige Arbeitsgruppe („Schleidern Bio Energy“) wurde ins Leben gerufen, die intensiv an diesem Projekt arbeitet und alle Möglichkeiten auslotet. Es wurden viele Informationen eingeholt und   Nahwärmnetze besichtigt.  Gespräche mit Betreibern fanden statt, wie beispielsweise mit dem Biogasanlagen-Betreiber Frese in Titmaringhausen. „Schnell wurde klar, dass eine Zusammenarbeit, gerade in den Sommermonaten, durch ein Leitungsnetz bis Oberschledorn mit der Biogaslange Frese möglich ist“, so Dessel. 

Ein wichtiger Schritt war eine Machbarkeitsanalyse im Dorf. 280 Hauseigentümer wurden angeschrieben und gebeten, einen Energie-Erfassungsbogen auszufüllen. Bis zum Stichtag (25. September) kamen 190 Erfassungsbögen zurück, die ca. 255 Haushalte und öffentliche Gebäude vertreten. Nur vier Eigentümer haben mit NEIN geantwortet. „Dieses sehr positive Ergebnis bedeutet den klaren Auftrag für die Arbeitsgruppe, weiter intensiv am Aufbau eines Nahwärmenetzes intensiv zuarbeiten.“ Als nächster Schritt ist eine Bürgerinformations-Veranstaltung geplant. Auch und besonders soll die Arbeit der Projektgruppe weiter professionalisiert werden. Die Stadt Medebach steht voll hinter dem Projekt. Gespräche mit Betreibern und der Effizienzagentur NRW wurden bereits geführt. Alle Planungen laufen bisher über die Projektgruppe. Es gibt noch keinen Verein, Betreiber oder Gesellschaft. 

Wichtige Fragen müssen geklärt werden. So muss schnell der Standort für die Heizzentrale gefunden werden. Freiflächen für PV-Anlagen und Solarthermie sind ebenfalls denkbar, auch die „Wasserstofftechnologie“ soll in die Planung einbezogen werden. „Es liegt nun an den Einwohnerinnen und Einwohnern, sich verbindlich zum Aufbau des Nahwärmenetzes zu verpflichten“, betont Dessel. 

Elf Architektur-Studierende der Yale-Universität waren kürzlich in Referinghausen um Ideen und Perspektiven für das Leben im ländlichen Raum zu entwickeln. Nun analysieren sie zunächst das Dorf und präsentieren im  Dezember erstmalig ihre Ergebnisse, die im Frühjahr auch der Dorfgemeinschaft.

Evtl. sind Referinhauser Ende nächsten Jahres bei der Tagung einer Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen, bei der es um Wohn- und Lebensformen der Zukunft geht.

ImSauerland hält sie weiter auf dem Laufenden.

Referinghausen ist „Energie(klug)“

„Klein, aber oho“ – und wie! Referinghausen, das Q-Dorf – nach eigener Aussage mit mehr Kühen als Einwohnern (215) -  ist ein Vorzeigedorf in Sachen Energiewende. Der Ort war 2015 eines der HSK-Dörfer im Modellprojekt u. a. der Landesregierung und der Südwestfalenagentur „Dorf ist Energie(klug)“ – und hat eine Menge daraus gemacht. Milchlehrpfad, Energiemärkte, Energieatlas Referinghausen, Energiespartage, verstärkte Kooperation mit der Verbraucherzentrale sind herausragende Beispiele. Zudem ist das Dorf komplett mit 88 Häusern (inklusive der öffentlichen Gebäude Kirche, Pfarrheim, Schützenhalle und Feuerwehrhaus) an das Fernwärmenetz angeschlossen. „Wir heizen unsere Häuser somit vollständig mit Speiseresten und damit klimafreundlich sowie CO2-neutral – und zu Spitzenzeiten im Winter ggfs. zusätzlich mit Hackschnitzeln“, berichtet Ortsvorsteher Reinhard Figgen. Das Fernwärmenetz in Referinghausen wird aus der Abwärme der Biogaslange Frese in Titmaringhausen gespeist. Der komplette Medebacher Ortsteil Titmaringhausen hat seit Jahren ein Fernwärmenetz, welches diese Abwärme nutzt. Referinghausen ist jetzt quasi die Erweiterung.  

Dreislar hatte ebenfalls am Projekt teilgenommen (Nahwärmeversorgung mittels Holzhackschnitzelwerke in Kombination mit einem Thermosolargroßfeld, Bürgerenergiegenossenschaft). Das Projekt war schon weit gediehen, ist dann aber aufgrund der damals deutlich sinkenden Ölpreise ad acta gelegt worden. Viele Hauseigentürmer hatten damals das Risiko einer Investition gescheut, da man auf weiterhin sinkende Ölpreise hoffte. Heute wäre man wahrscheinlich froh, wenn man das Projekt damals umgesetzt hätte. 

Wirtschaftliche und soziale Aspekte sind wichtig 

Für Peters spielen wirtschaftliche und soziale Gründe bei der Energiewende vor Ort eine entscheidende Rolle. „Die Frage: Ist es nicht wirtschaftlich sinnvoller, in ein Nahwärmenetz mit erneuerbaren Energie zu investieren, Mitglied der Genossenschaft zu werden, als wenn sich jeder eine eigene Anlage baut?“ Peters nennt ein Beispiel (mit Wärmepumpen). Ein Dorf mit 100 Einwohnern: Jeder investiert in eine Wärmepumpe, Lieferzeit ein Jahr, Kosten 40.000 Euro, Gesamt 4 Millionen für das Dorf. Natürlich müssen die Förderungen (30 bis 40 Prozent) abgezogen werden. Macht unterm Strich rund 30.000 bzw. drei Millionen. Demgegenüber sei es überlegenswert - so Peters - das Geld einmalig in ein zentrales Nahwärmenetz mit erneuerbaren Energien zu investieren. „In diesem Fall kann man vor die Haustür gucken, man ist unabhängig, braucht keine dramatisch steigenden Preise zu fürchten.“ Das sei ein nicht zu unterschätzender sozialer Aspekt.  

Peters: „Energiekümmerer“ und Öffentlichkeitsarbeit 

Natürlich macht sich Peters auch Gedanken um den weiteren Gang der Energiewende in den Sauerländer Dörfern. „Wichtig ist eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit, die die Notwendigkeit und vor allem die Vorteile der Bioenergiedörfer deutlich herausstellt.“ Auf der anderen Seite nimmt der Energieberater Politik und Verwaltung in die Pflicht. „Dörfer, die sich auf den Weg machen, benötigen Support. Das könnte die Mescheder Kreisverwaltung oder die Südwestfalenagentur sein. Der Hochsauerlandkreis als Kümmerer der Energiewende in den Dörfern und sich damit selbst auf den Weg zum grünen Kreis macht, das wäre eine phantastische Sache. Das ist eine riesige Chance.“  

Welche Kriterien muss ein Bioenergiedorf erfüllen?

Damit ein Ort als Bioenergiedorf bezeichnet werden kann, muss das Dorf mindestens 50 Prozent seines Energieverbrauchs an Strom und Wärme mit lokal/regional erzeugter Bioenergie decken. Meistes werden dafür Biomasse, Photovoltaik und auch Windenergie verwendet. Andere Alternativen: Biomasse können Gülle, Getreidepflanzen oder auch Bioabfälle sein. Ein wichtiges Kriterium ist die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger beispielsweise als Mitglieder in Genossenschaften. Damit sind sie auch an Entscheidungen beteiligt, was den Zusammenhalt im Dorf stärkt. 

Das erste Bioenergiedorf war 2004 Jühnde (Südniedersachsen, Landkreis Göttingen). Derzeit sind deutlich über 170 Bioenergiedörfer in Deutschland gelistet. Die meisten befinden sich im Süden der Republik, Bayern und Baden-Württemberg. Weitere über 50 Ortschaften werden in mittelbarer Zukunft den Statuts Bioenergiedorf erreichen. In NRW sieht es eher mau aus. 

Carsten Peters ist Energieberater der Verbraucherzentrale Arnsberg und absoluter Verfechter der Energiewende. Beim Blick auf den Hochsauerlandkreis stellt der Diplom-Ingenieur einen „riesigen Nachholbedarf“ bei der Wärmeversorgung mit erneuerbaren Energien fest und beziffert den Anteil auf 15 bis 20 Prozent. Bei der Stromversorgung, so Peters, liegt demgegenüber der Anteil bei fast 50 Prozent. Vor diesem Hintergrund sieht Peters das Sauerland mit den vielen kleinen Dörfern als geradezu ideal für Nahwärmekonzepte mit erneuerbarer Energie aus der Region. „Die Dörfer sind Klassiker für eine zentrale Versorgung mit ökologisch und sozial nachhaltigen Lösungen.“ Ebbinghof, Wallen, Referinghausen und Oberschledorn setzen im Hochsauerlandkreis Maßstäbe - als Bioenergiedörfer oder als Energie(klug) – und sind Vorreiter der Energiewende in der Region. 

Text: Paul Senske, Fotos: privat 

Das erste Bioenergiedorf in NRW 

29 Einwohner, eine intakte Dorfgemeinschaft, zwei Vollerwerbslandwirte, die früh auf die Karte „Erneuerbare Energien“ gesetzt haben: Ebbinghof, Ortsteil der Klimakommune Schmallenberg, zeichnet eine zu 100 Prozent autarke und regenerative Energieversorgung aus. Am 27. März 2010 wurde Ebbinghof als erstes Bioenergiedorf in NRW ausgezeichnet. Bioenergiedörfer sind Orte, die mindestens 50 Prozent ihres Energieverbrauchs an Strom und Wärme mit lokal/regional erzeugter Biomasse decken. Die beiden Landwirte, Georg Muth-Köhne und Hubertus Peitz, sehen sich nicht als „Öko-Freaks“, sondern als hart kalkulierende Geschäftsleute. Ziel war ein von Beginn an rentabler und regenerativer Energiekreislauf. Photovoltaikanlagen, Biogasanlage und ein Blockheizkraftwerk, das Wärme und Strom erzeugt sowie die Beteiligung der Einwohnerinnen und Einwohner: Ebbinghof hat seinen Weg gefunden. Ebbinghof erzeugt gut acht Prozent des in Schmallenberg verbrauchten Stroms. Mit der Wärme werden in Ebbinghof Wohngebäude, das Hotel und Ställe geheizt. Zudem nutzen das SauerlandBad, das Musikbildungszentrum sowie Büros und Werkstätten die Wärme. Die Biogasanlage und das Blockheizkraftwerk werden von einer GmbH getragen. Gesellschafter sind Georg Muth-Köhne und Hubertus Peitz. Betreiber des Nahwärmenetzes 1 ist die Dorfgemeinschaft, für das Nahwärmenetz 2 sind die Stadtwerke Schmallenberg verantwortlich, das Bauunternehmen Feldhaus betreibt das dritte Netz. 

Der Klimawandel als Motivation in Wallen 

Ökologisch, preiswert und sichere Wärmeversorgung: Das ist das Bioenergiedorf Wallen (Volksmund: „Calle-Wallen“) bei Meschede. „Wallen ist ebenfalls ein gelungenen Bespiel für die Energiewende“, so Peters. Die Motivation der Menschen? „Das war der Klimawandel“. Ein Blockheizkraftwerk beliefert rund 90 Prozent der knapp 120 Haushalte mit Wärme (auch Mehrzweckhalle). Sie stammt zu 40 Prozent aus der Biogasanlage des örtlichen Landwirts Seemer, den Rest liefert eine genossenschaftlich organisierte Hackschnitzelanlage. Außerdem ist auf dem Haus des Holzlagers eine Photovoltaikanlage installiert, die den regenerativ gewonnenen Strom ins öffentliche Netz einspeist. Die Gründung der Genossenschaft erfolgte am 31. Januar 2011. Alle angeschlossenen Haushalte sind zugleich Mitglied und Kunde der Genossenschaft. Die Finanzierung des Projekts erfolgte über den Ansatz des Crowdfunding, eben in der Form der Genossenschaft.  

Oberschledorn hat sich auf den Weg gemacht

„Unser Ziel ist, gemeinsam eine regionale und nachhaltige Lösung zu finden, um den Klimawandel zu bremsen und uns von allen geopolitischen Entwicklungen unabhängig zu machen, den dörflichen Zusammenhalt zu stärken und ein Wir-Gefühl zu erzeugen.“ So umschreibt Willi Dessel, der Ortsvorsteher von Oberschledorn, den Willen und den Weg, das 882 Seelen zählenden Dorf zu einem Bioenergiedorf zu entwickeln. Seit April 2022 befasst sich das größte Dorf der Stadt Medebach mit dem Thema, ein Nahwärmenetz aufzubauen. Eine neunköpfige Arbeitsgruppe („Schleidern Bio Energy“) wurde ins Leben gerufen, die intensiv an diesem Projekt arbeitet und alle Möglichkeiten auslotet. Es wurden viele Informationen eingeholt und   Nahwärmnetze besichtigt.  Gespräche mit Betreibern fanden statt, wie beispielsweise mit dem Biogasanlagen-Betreiber Frese in Titmaringhausen. „Schnell wurde klar, dass eine Zusammenarbeit, gerade in den Sommermonaten, durch ein Leitungsnetz bis Oberschledorn mit der Biogaslange Frese möglich ist“, so Dessel. 

Ein wichtiger Schritt war eine Machbarkeitsanalyse im Dorf. 280 Hauseigentümer wurden angeschrieben und gebeten, einen Energie-Erfassungsbogen auszufüllen. Bis zum Stichtag (25. September) kamen 190 Erfassungsbögen zurück, die ca. 255 Haushalte und öffentliche Gebäude vertreten. Nur vier Eigentümer haben mit NEIN geantwortet. „Dieses sehr positive Ergebnis bedeutet den klaren Auftrag für die Arbeitsgruppe, weiter intensiv am Aufbau eines Nahwärmenetzes intensiv zuarbeiten.“ Als nächster Schritt ist eine Bürgerinformations-Veranstaltung geplant. Auch und besonders soll die Arbeit der Projektgruppe weiter professionalisiert werden. Die Stadt Medebach steht voll hinter dem Projekt. Gespräche mit Betreibern und der Effizienzagentur NRW wurden bereits geführt. Alle Planungen laufen bisher über die Projektgruppe. Es gibt noch keinen Verein, Betreiber oder Gesellschaft. 

Wichtige Fragen müssen geklärt werden. So muss schnell der Standort für die Heizzentrale gefunden werden. Freiflächen für PV-Anlagen und Solarthermie sind ebenfalls denkbar, auch die „Wasserstofftechnologie“ soll in die Planung einbezogen werden. „Es liegt nun an den Einwohnerinnen und Einwohnern, sich verbindlich zum Aufbau des Nahwärmenetzes zu verpflichten“, betont Dessel. 

Elf Architektur-Studierende der Yale-Universität waren kürzlich in Referinghausen um Ideen und Perspektiven für das Leben im ländlichen Raum zu entwickeln. Nun analysieren sie zunächst das Dorf und präsentieren im  Dezember erstmalig ihre Ergebnisse, die im Frühjahr auch der Dorfgemeinschaft.

Evtl. sind Referinhauser Ende nächsten Jahres bei der Tagung einer Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen, bei der es um Wohn- und Lebensformen der Zukunft geht.

ImSauerland hält sie weiter auf dem Laufenden.

Referinghausen ist „Energie(klug)“

„Klein, aber oho“ – und wie! Referinghausen, das Q-Dorf – nach eigener Aussage mit mehr Kühen als Einwohnern (215) -  ist ein Vorzeigedorf in Sachen Energiewende. Der Ort war 2015 eines der HSK-Dörfer im Modellprojekt u. a. der Landesregierung und der Südwestfalenagentur „Dorf ist Energie(klug)“ – und hat eine Menge daraus gemacht. Milchlehrpfad, Energiemärkte, Energieatlas Referinghausen, Energiespartage, verstärkte Kooperation mit der Verbraucherzentrale sind herausragende Beispiele. Zudem ist das Dorf komplett mit 88 Häusern (inklusive der öffentlichen Gebäude Kirche, Pfarrheim, Schützenhalle und Feuerwehrhaus) an das Fernwärmenetz angeschlossen. „Wir heizen unsere Häuser somit vollständig mit Speiseresten und damit klimafreundlich sowie CO2-neutral – und zu Spitzenzeiten im Winter ggfs. zusätzlich mit Hackschnitzeln“, berichtet Ortsvorsteher Reinhard Figgen. Das Fernwärmenetz in Referinghausen wird aus der Abwärme der Biogaslange Frese in Titmaringhausen gespeist. Der komplette Medebacher Ortsteil Titmaringhausen hat seit Jahren ein Fernwärmenetz, welches diese Abwärme nutzt. Referinghausen ist jetzt quasi die Erweiterung.  

Dreislar hatte ebenfalls am Projekt teilgenommen (Nahwärmeversorgung mittels Holzhackschnitzelwerke in Kombination mit einem Thermosolargroßfeld, Bürgerenergiegenossenschaft). Das Projekt war schon weit gediehen, ist dann aber aufgrund der damals deutlich sinkenden Ölpreise ad acta gelegt worden. Viele Hauseigentürmer hatten damals das Risiko einer Investition gescheut, da man auf weiterhin sinkende Ölpreise hoffte. Heute wäre man wahrscheinlich froh, wenn man das Projekt damals umgesetzt hätte. 

Wirtschaftliche und soziale Aspekte sind wichtig 

Für Peters spielen wirtschaftliche und soziale Gründe bei der Energiewende vor Ort eine entscheidende Rolle. „Die Frage: Ist es nicht wirtschaftlich sinnvoller, in ein Nahwärmenetz mit erneuerbaren Energie zu investieren, Mitglied der Genossenschaft zu werden, als wenn sich jeder eine eigene Anlage baut?“ Peters nennt ein Beispiel (mit Wärmepumpen). Ein Dorf mit 100 Einwohnern: Jeder investiert in eine Wärmepumpe, Lieferzeit ein Jahr, Kosten 40.000 Euro, Gesamt 4 Millionen für das Dorf. Natürlich müssen die Förderungen (30 bis 40 Prozent) abgezogen werden. Macht unterm Strich rund 30.000 bzw. drei Millionen. Demgegenüber sei es überlegenswert - so Peters - das Geld einmalig in ein zentrales Nahwärmenetz mit erneuerbaren Energien zu investieren. „In diesem Fall kann man vor die Haustür gucken, man ist unabhängig, braucht keine dramatisch steigenden Preise zu fürchten.“ Das sei ein nicht zu unterschätzender sozialer Aspekt.  

Peters: „Energiekümmerer“ und Öffentlichkeitsarbeit 

Natürlich macht sich Peters auch Gedanken um den weiteren Gang der Energiewende in den Sauerländer Dörfern. „Wichtig ist eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit, die die Notwendigkeit und vor allem die Vorteile der Bioenergiedörfer deutlich herausstellt.“ Auf der anderen Seite nimmt der Energieberater Politik und Verwaltung in die Pflicht. „Dörfer, die sich auf den Weg machen, benötigen Support. Das könnte die Mescheder Kreisverwaltung oder die Südwestfalenagentur sein. Der Hochsauerlandkreis als Kümmerer der Energiewende in den Dörfern und sich damit selbst auf den Weg zum grünen Kreis macht, das wäre eine phantastische Sache. Das ist eine riesige Chance.“  

Welche Kriterien muss ein Bioenergiedorf erfüllen?

Damit ein Ort als Bioenergiedorf bezeichnet werden kann, muss das Dorf mindestens 50 Prozent seines Energieverbrauchs an Strom und Wärme mit lokal/regional erzeugter Bioenergie decken. Meistes werden dafür Biomasse, Photovoltaik und auch Windenergie verwendet. Andere Alternativen: Biomasse können Gülle, Getreidepflanzen oder auch Bioabfälle sein. Ein wichtiges Kriterium ist die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger beispielsweise als Mitglieder in Genossenschaften. Damit sind sie auch an Entscheidungen beteiligt, was den Zusammenhalt im Dorf stärkt. 

Das erste Bioenergiedorf war 2004 Jühnde (Südniedersachsen, Landkreis Göttingen). Derzeit sind deutlich über 170 Bioenergiedörfer in Deutschland gelistet. Die meisten befinden sich im Süden der Republik, Bayern und Baden-Württemberg. Weitere über 50 Ortschaften werden in mittelbarer Zukunft den Statuts Bioenergiedorf erreichen. In NRW sieht es eher mau aus. 

Carsten Peters ist Energieberater der Verbraucherzentrale Arnsberg und absoluter Verfechter der Energiewende. Beim Blick auf den Hochsauerlandkreis stellt der Diplom-Ingenieur einen „riesigen Nachholbedarf“ bei der Wärmeversorgung mit erneuerbaren Energien fest und beziffert den Anteil auf 15 bis 20 Prozent. Bei der Stromversorgung, so Peters, liegt demgegenüber der Anteil bei fast 50 Prozent. Vor diesem Hintergrund sieht Peters das Sauerland mit den vielen kleinen Dörfern als geradezu ideal für Nahwärmekonzepte mit erneuerbarer Energie aus der Region. „Die Dörfer sind Klassiker für eine zentrale Versorgung mit ökologisch und sozial nachhaltigen Lösungen.“ Ebbinghof, Wallen, Referinghausen und Oberschledorn setzen im Hochsauerlandkreis Maßstäbe - als Bioenergiedörfer oder als Energie(klug) – und sind Vorreiter der Energiewende in der Region. 

Text: Paul Senske, Fotos: privat 

Das erste Bioenergiedorf in NRW 

29 Einwohner, eine intakte Dorfgemeinschaft, zwei Vollerwerbslandwirte, die früh auf die Karte „Erneuerbare Energien“ gesetzt haben: Ebbinghof, Ortsteil der Klimakommune Schmallenberg, zeichnet eine zu 100 Prozent autarke und regenerative Energieversorgung aus. Am 27. März 2010 wurde Ebbinghof als erstes Bioenergiedorf in NRW ausgezeichnet. Bioenergiedörfer sind Orte, die mindestens 50 Prozent ihres Energieverbrauchs an Strom und Wärme mit lokal/regional erzeugter Biomasse decken. Die beiden Landwirte, Georg Muth-Köhne und Hubertus Peitz, sehen sich nicht als „Öko-Freaks“, sondern als hart kalkulierende Geschäftsleute. Ziel war ein von Beginn an rentabler und regenerativer Energiekreislauf. Photovoltaikanlagen, Biogasanlage und ein Blockheizkraftwerk, das Wärme und Strom erzeugt sowie die Beteiligung der Einwohnerinnen und Einwohner: Ebbinghof hat seinen Weg gefunden. Ebbinghof erzeugt gut acht Prozent des in Schmallenberg verbrauchten Stroms. Mit der Wärme werden in Ebbinghof Wohngebäude, das Hotel und Ställe geheizt. Zudem nutzen das SauerlandBad, das Musikbildungszentrum sowie Büros und Werkstätten die Wärme. Die Biogasanlage und das Blockheizkraftwerk werden von einer GmbH getragen. Gesellschafter sind Georg Muth-Köhne und Hubertus Peitz. Betreiber des Nahwärmenetzes 1 ist die Dorfgemeinschaft, für das Nahwärmenetz 2 sind die Stadtwerke Schmallenberg verantwortlich, das Bauunternehmen Feldhaus betreibt das dritte Netz. 

Der Klimawandel als Motivation in Wallen 

Ökologisch, preiswert und sichere Wärmeversorgung: Das ist das Bioenergiedorf Wallen (Volksmund: „Calle-Wallen“) bei Meschede. „Wallen ist ebenfalls ein gelungenen Bespiel für die Energiewende“, so Peters. Die Motivation der Menschen? „Das war der Klimawandel“. Ein Blockheizkraftwerk beliefert rund 90 Prozent der knapp 120 Haushalte mit Wärme (auch Mehrzweckhalle). Sie stammt zu 40 Prozent aus der Biogasanlage des örtlichen Landwirts Seemer, den Rest liefert eine genossenschaftlich organisierte Hackschnitzelanlage. Außerdem ist auf dem Haus des Holzlagers eine Photovoltaikanlage installiert, die den regenerativ gewonnenen Strom ins öffentliche Netz einspeist. Die Gründung der Genossenschaft erfolgte am 31. Januar 2011. Alle angeschlossenen Haushalte sind zugleich Mitglied und Kunde der Genossenschaft. Die Finanzierung des Projekts erfolgte über den Ansatz des Crowdfunding, eben in der Form der Genossenschaft.  

Oberschledorn hat sich auf den Weg gemacht

„Unser Ziel ist, gemeinsam eine regionale und nachhaltige Lösung zu finden, um den Klimawandel zu bremsen und uns von allen geopolitischen Entwicklungen unabhängig zu machen, den dörflichen Zusammenhalt zu stärken und ein Wir-Gefühl zu erzeugen.“ So umschreibt Willi Dessel, der Ortsvorsteher von Oberschledorn, den Willen und den Weg, das 882 Seelen zählenden Dorf zu einem Bioenergiedorf zu entwickeln. Seit April 2022 befasst sich das größte Dorf der Stadt Medebach mit dem Thema, ein Nahwärmenetz aufzubauen. Eine neunköpfige Arbeitsgruppe („Schleidern Bio Energy“) wurde ins Leben gerufen, die intensiv an diesem Projekt arbeitet und alle Möglichkeiten auslotet. Es wurden viele Informationen eingeholt und   Nahwärmnetze besichtigt.  Gespräche mit Betreibern fanden statt, wie beispielsweise mit dem Biogasanlagen-Betreiber Frese in Titmaringhausen. „Schnell wurde klar, dass eine Zusammenarbeit, gerade in den Sommermonaten, durch ein Leitungsnetz bis Oberschledorn mit der Biogaslange Frese möglich ist“, so Dessel. 

Ein wichtiger Schritt war eine Machbarkeitsanalyse im Dorf. 280 Hauseigentümer wurden angeschrieben und gebeten, einen Energie-Erfassungsbogen auszufüllen. Bis zum Stichtag (25. September) kamen 190 Erfassungsbögen zurück, die ca. 255 Haushalte und öffentliche Gebäude vertreten. Nur vier Eigentümer haben mit NEIN geantwortet. „Dieses sehr positive Ergebnis bedeutet den klaren Auftrag für die Arbeitsgruppe, weiter intensiv am Aufbau eines Nahwärmenetzes intensiv zuarbeiten.“ Als nächster Schritt ist eine Bürgerinformations-Veranstaltung geplant. Auch und besonders soll die Arbeit der Projektgruppe weiter professionalisiert werden. Die Stadt Medebach steht voll hinter dem Projekt. Gespräche mit Betreibern und der Effizienzagentur NRW wurden bereits geführt. Alle Planungen laufen bisher über die Projektgruppe. Es gibt noch keinen Verein, Betreiber oder Gesellschaft. 

Wichtige Fragen müssen geklärt werden. So muss schnell der Standort für die Heizzentrale gefunden werden. Freiflächen für PV-Anlagen und Solarthermie sind ebenfalls denkbar, auch die „Wasserstofftechnologie“ soll in die Planung einbezogen werden. „Es liegt nun an den Einwohnerinnen und Einwohnern, sich verbindlich zum Aufbau des Nahwärmenetzes zu verpflichten“, betont Dessel. 

Elf Architektur-Studierende der Yale-Universität waren kürzlich in Referinghausen um Ideen und Perspektiven für das Leben im ländlichen Raum zu entwickeln. Nun analysieren sie zunächst das Dorf und präsentieren im  Dezember erstmalig ihre Ergebnisse, die im Frühjahr auch der Dorfgemeinschaft.

Evtl. sind Referinhauser Ende nächsten Jahres bei der Tagung einer Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen, bei der es um Wohn- und Lebensformen der Zukunft geht.

ImSauerland hält sie weiter auf dem Laufenden.

Referinghausen ist „Energie(klug)“

„Klein, aber oho“ – und wie! Referinghausen, das Q-Dorf – nach eigener Aussage mit mehr Kühen als Einwohnern (215) -  ist ein Vorzeigedorf in Sachen Energiewende. Der Ort war 2015 eines der HSK-Dörfer im Modellprojekt u. a. der Landesregierung und der Südwestfalenagentur „Dorf ist Energie(klug)“ – und hat eine Menge daraus gemacht. Milchlehrpfad, Energiemärkte, Energieatlas Referinghausen, Energiespartage, verstärkte Kooperation mit der Verbraucherzentrale sind herausragende Beispiele. Zudem ist das Dorf komplett mit 88 Häusern (inklusive der öffentlichen Gebäude Kirche, Pfarrheim, Schützenhalle und Feuerwehrhaus) an das Fernwärmenetz angeschlossen. „Wir heizen unsere Häuser somit vollständig mit Speiseresten und damit klimafreundlich sowie CO2-neutral – und zu Spitzenzeiten im Winter ggfs. zusätzlich mit Hackschnitzeln“, berichtet Ortsvorsteher Reinhard Figgen. Das Fernwärmenetz in Referinghausen wird aus der Abwärme der Biogaslange Frese in Titmaringhausen gespeist. Der komplette Medebacher Ortsteil Titmaringhausen hat seit Jahren ein Fernwärmenetz, welches diese Abwärme nutzt. Referinghausen ist jetzt quasi die Erweiterung.  

Dreislar hatte ebenfalls am Projekt teilgenommen (Nahwärmeversorgung mittels Holzhackschnitzelwerke in Kombination mit einem Thermosolargroßfeld, Bürgerenergiegenossenschaft). Das Projekt war schon weit gediehen, ist dann aber aufgrund der damals deutlich sinkenden Ölpreise ad acta gelegt worden. Viele Hauseigentürmer hatten damals das Risiko einer Investition gescheut, da man auf weiterhin sinkende Ölpreise hoffte. Heute wäre man wahrscheinlich froh, wenn man das Projekt damals umgesetzt hätte. 

Wirtschaftliche und soziale Aspekte sind wichtig 

Für Peters spielen wirtschaftliche und soziale Gründe bei der Energiewende vor Ort eine entscheidende Rolle. „Die Frage: Ist es nicht wirtschaftlich sinnvoller, in ein Nahwärmenetz mit erneuerbaren Energie zu investieren, Mitglied der Genossenschaft zu werden, als wenn sich jeder eine eigene Anlage baut?“ Peters nennt ein Beispiel (mit Wärmepumpen). Ein Dorf mit 100 Einwohnern: Jeder investiert in eine Wärmepumpe, Lieferzeit ein Jahr, Kosten 40.000 Euro, Gesamt 4 Millionen für das Dorf. Natürlich müssen die Förderungen (30 bis 40 Prozent) abgezogen werden. Macht unterm Strich rund 30.000 bzw. drei Millionen. Demgegenüber sei es überlegenswert - so Peters - das Geld einmalig in ein zentrales Nahwärmenetz mit erneuerbaren Energien zu investieren. „In diesem Fall kann man vor die Haustür gucken, man ist unabhängig, braucht keine dramatisch steigenden Preise zu fürchten.“ Das sei ein nicht zu unterschätzender sozialer Aspekt.  

Peters: „Energiekümmerer“ und Öffentlichkeitsarbeit 

Natürlich macht sich Peters auch Gedanken um den weiteren Gang der Energiewende in den Sauerländer Dörfern. „Wichtig ist eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit, die die Notwendigkeit und vor allem die Vorteile der Bioenergiedörfer deutlich herausstellt.“ Auf der anderen Seite nimmt der Energieberater Politik und Verwaltung in die Pflicht. „Dörfer, die sich auf den Weg machen, benötigen Support. Das könnte die Mescheder Kreisverwaltung oder die Südwestfalenagentur sein. Der Hochsauerlandkreis als Kümmerer der Energiewende in den Dörfern und sich damit selbst auf den Weg zum grünen Kreis macht, das wäre eine phantastische Sache. Das ist eine riesige Chance.“  

Welche Kriterien muss ein Bioenergiedorf erfüllen?

Damit ein Ort als Bioenergiedorf bezeichnet werden kann, muss das Dorf mindestens 50 Prozent seines Energieverbrauchs an Strom und Wärme mit lokal/regional erzeugter Bioenergie decken. Meistes werden dafür Biomasse, Photovoltaik und auch Windenergie verwendet. Andere Alternativen: Biomasse können Gülle, Getreidepflanzen oder auch Bioabfälle sein. Ein wichtiges Kriterium ist die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger beispielsweise als Mitglieder in Genossenschaften. Damit sind sie auch an Entscheidungen beteiligt, was den Zusammenhalt im Dorf stärkt. 

Das erste Bioenergiedorf war 2004 Jühnde (Südniedersachsen, Landkreis Göttingen). Derzeit sind deutlich über 170 Bioenergiedörfer in Deutschland gelistet. Die meisten befinden sich im Süden der Republik, Bayern und Baden-Württemberg. Weitere über 50 Ortschaften werden in mittelbarer Zukunft den Statuts Bioenergiedorf erreichen. In NRW sieht es eher mau aus. 

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