Starke Berufswahlorientierung wie ein roter Faden von Klasse 5 bis 10 in der Agnes-Wenke-Sekundarschule
Binita Kokollari, Asmahan Dbouk und Kilian Vollheit sind Schülerinnen und Schüler der Klassen 9 und 10 der Agnes-Wenke-Sekundarschule in Arnsberg-Neheim und sind voll des Lobes: „In unserer Schule erhalten wir die beste Unterstützung für die Berufswahl.“ Besonders freuen sie sich darüber, dass sie die Chance haben, „so viele Betriebe zu besichtigen“. Ihre Schule macht es möglich: Die Berufswahlorientierung der Schule im Neheimer Binnerfeld nimmt eine herausragende Stellung ein und zieht sich praktisch wie ein roter Faden von Klasse 5 bis 10 durch das Schulleben. Sie gestaltet den Unterricht lebens- und praxisnah und macht ihn auch lebendiger.
„Die Schülerinnen und Schüler alters- und jahrgangsgerecht an die Berufswelt heranführen, ihr Interesse zu wecken und zu fördern, ist unser Schwerpunkt“, sagt Sekundarschuldirektor Andreas Schauerte. „Dabei sollen sie auch besonders ihre eigenen Fähigkeiten ausloten.“ Thorsten Ogrzall ist gemeinsam mit Annika Schröder und Adriana Schulte Studien- und Berufswahlkoordinator (StuBO) und fasst die Intention so zusammen: „Wir empfehlen den Schülerinnen und Schülern, eine duale Ausbildung zu beginnen.“
Sanfter, behutsamer und spielerischer Beginn ab Klasse 5
„Die berufliche Orientierung der Agnes-Wenke-Sekundarschule richtet sich ab der 8. Klasse stark nach dem verpflichtenden, landesweiten Projekt KAoA – Kein Abschluss ohne Anschluss – wie Potenzialanalyse, Berufsfelderkundung, Praktika, Berufswahlpass usw.“, betont Claudia Isenberg, die Abteilungsleiterin der Klassen 8 bis 10. Die Neheimer Schule geht mit ihren Angeboten und dem damit verbundenem Netzwerk aber über das (erfolgreiche) KAoA-Angebot hinaus. Bereits in den Jahrgängen 5 bis 7 werden die Schülerinnen und Schüler an die Berufswelt herangeführt, „sanft, behutsam, spielerisch und individuell“, wie es Thorsten Ogrzall formuliert. Eltern sowie ehemalige Schülerinnen und Schüler erzählen beispielsweise von ihren Berufen. Die Girls und Boys Days sind verpflichtend. Ein Höhepunkt ist das auch für dieses Jahr wieder vorgesehene Berufsorientierungs-Training mit dem Technikzentrum Minden-Lübbecke. An verschiedenen Stationen werden verschiedene Berufe wie Dachdecker, Kellner, Tischler, Pflegeberufe oder Maler vorgestellt. Die Jugendlichen können dabei in der Praxis zeigen, ob ihnen der Beruf liegt. „Spaß hat mir besonders das Werfen von Dachpfannen gemacht“, erzählt Kilian Vollheit. „Die Dachpfannen waren aus Gummi, ich habe einen praktischen Einblick in die Arbeit eines Dachdeckers erhalten.“ An der Kellner-Station mussten die Jugendlichen Teller auf dem Arm tragen. „Dieser Tag läuft, die Schülerinnen und Schüler sind begeistert“, betont Andreas Schauerte.
„Es ist gut, dass Frau Kettler in die Schule kommt“ (Asmahan Dbouk)
In den Stufen 8 – 10 greifen die verbindlichen Inhalte von KAoA (Siehe auch Beitrag „Hauptschulen sind Vorreiter“) – die Sekundarschule reichert den Maßnahmenkatalog mit eigenen, individuellen Angeboten und Projekten an. Dazu gehört auch das Angebot der Agentur für Arbeit. Die Berufsberaterin Marion Kettler steht den Jugendlichen buchstäblich mit „Rat und Tat“ zur Seite. „Es ist gut, dass Frau Kettler in die Schule kommt“, sagt Asmahan Dbouk. Ein „schöner Zusatz“ der Sprechstunden von Monika Kettler ist ihre „Wäscheleinen-Aktion“ mit aufgehängten Ausbildungsangeboten. Als großen Erfolg wertet die Schulleitung die Teilnahme an der Business-Rallye „Entrepreneurship“ – ein Pilotprojekt von KAoA. Die Neheimer Schule (Klasse 8 d) nahm als Einzige aus dem Regierungsbezirk Arnsberg daran teil. „Dabei ging es praxisorientiert in Richtung Selbstständigkeit“, so StuBO Thorsten Ogrzall. Vorbereitet in 14 - 16 Unterrichtsstunden einigten sich die Jugendlichen auf die Produktidee „Phonebag – Handys sicher laden“. Ein Firmenlogo wurde entwickelt, Marketing, Finanzen, Produktion, Technik sowie Verkauf wurden unter die Lupe genommen und entwickelt. Alte Jeanshosen wurden zerschnitten und als Handytaschen wiederverwertet. Es entstand ein Produkt, das ein Herunterfallen beim Ladevorgang verhindert. Die Klasse 8 stellte ihr Produkt im Rahmen einer Präsentationsveranstaltung vor, an der neben den Eltern u. a. Vertreter der IHK, Handwerkskammer sowie des Unternehmensverbandes teilnahmen. „Diese neue Idee soll ins Schulprogramm aufgenommen werden“, sagt Claudia Isenberg.
„Raus aus der Schule – Rein in die Betriebe“ (Thorsten Ogrzall)
Neben den vorgeschriebenen Praktika ist der sich ausweitende, individuelle Kontakt zu den Betrieben ein weiterer, bedeutender Schritt. „Raus aus der Schule – rein in die Betriebe“, formuliert Thorsten Ogrzall diese praktische Philosophie. „Es ist gut, dass wir Kontakt zu vielen Betrieben haben“, freut sich Binita Kokollari. 10 bis 15 Jugendliche nehmen jeweils daran teil. Einblicke erhielten sie zum Beispiel in Sachen Heizungs-, Sanitär-, Lüftungs- und Kältetechnik bei der Jager-Gruppe in Neheim-Bergheim. Asmahan Dbouk nahm an einem Schnuppertag im Klinikum Hochsauerland teil: „Dieser Tag hat mein Interesse für den Pflegeberuf vertieft.“ Für dieses Jahr ist der Besuch von TRILUX geplant. Die 9. Klasse nimmt zudem an den Ausbildungsmessen im Neheimer Kaiserhaus teil. Im November 2023 freuten sich das Lehrerkollegium, Schülerinnen, Schüler und Eltern über eine eigene Messe im Foyer der Schule. Der Besuch der beiden Arnsberger Berufskollegs ist ebenfalls obligatorisch. Das gilt auch für das Berufsinformationszentrum (BIZ) in Meschede. Einblicke in den Berufsalltag auf dem Bau bietet der Bau-Bus NRW – „Bau dein Ding“ des Bauindustrieverbandes NRW.
Die ProBE- Pro Berufsorientierung (Träger Kolping Bildungszentren) gehört ebenfalls zum Repertoire. Einmal pro Woche (insgesamt sechs Wochen) geht es in die Werkstatt des Kolping-Bildungszentrums oder in die Gemeinschaftslehrwerkstatt Wiebelsheide in Arnsberg-Herdringen. Zu ProBe zählt auch das Bewerbungstraining, das in der Schule stattfindet. Zum Abschluss gibt es ein Zertifikat. Wichtige Elemente sind auch die freiwilligen Arbeitsgemeinschaften Soziales Engagement und Pflege, Schulcafé und Gartenbau des Doppeljahrgangs 9/10. Die AG Soziales Engagement bringt sich beispielsweise im Neheimer Pflegezentrum St. Johannes ein. „Wir versorgen die Senioren mit Kaffee und Kuchen und unterhalten sie mit Spielen“, sagt Binita Kokollari. Die Schule plant die AGs auch auf die Doppeljahrgänge 5/6 und 7/8 auszuweiten.
„Berufseinstiegsbegleitung halten wir hoch“ (Andreas Schauerte)
Acht Plätze stehen der Schule (ab Klasse 9) für die Berufseinstiegsbegleitung zur Verfügung. Sie wendet sich an Jugendliche, die mehr Unterstützung benötigen. Begleitet werden sie von Jasmine Hennecke und Silke Fuß. „Diese wichtige Maßnahme halten wir hoch“, so Andreas Schauerte. Ein besonderes, freiwilliges Angebot richtet sich an die Schülerinnen und Schüler, die in Klasse 10 den sogenannten ersten erweiterten Schulabschluss anstreben. Sie haben die Chance, ein Langzeitpraktikum - einen Tag in der Woche - in einem Betrieb zu absolvieren. Binita Kokollari, Asmahan Dbouk und Kilian Vollheit fühlen sich in der auch digital gut aufgestellten und mit einem Berufsorientierungsbüro (BOB) ausgestatteten Schule wohl und bestens auf die Berufswahl vorbereitet. Wie sieht ihre berufliche Planung aus? Binita will Anwältin werden, nach dem Sekundarabschluss das Abitur machen und studieren. Asmahan strebt den Beruf als Physiotherapeutin an. Kilian will Land- und Baumaschinen-Mechatroniker werden.
Mit Berufswahlsiegel 2019 und 2023 zertifiziert
Als „Anerkennung für die vorbildliche Gestaltung ihrer Berufsorientierung“ ist die Schule im Juli 2019 erstmals mit dem Berufswahlsiegel zertifiziert worden. Als 2013 gegründete und „im Aufbau befindlich“ hatte die Schule im Schuljahr 2018/2019 zum ersten Mal die Klasse 10 entlassen. Im September 2023 hat die Schule zum zweiten Mal die Auszeichnung erhalten und sich damit erfolgreich dem Rezertifizierungs-Prozess gestellt. Koordiniert wird das Projekt Gütesiegel vom Regionalen Bildungsbüro des Bildungsnetzwerkes des Hochsauerlandkreises in Kooperation mit dem Kreis Soest.
Dr. Agnes Wenke: Lehrerin für die ganze Stadt Arnsberg
Die Agnes-Wenke-Schule in Neheim ist eine von zwei Sekundarschulen in Arnsberg und eine von sechs im Hochsauerlandkreis. In der Ganztagsschule werden derzeit 509 Schülerinnen und Schüler unterrichtet, 46 Prozent haben einen Migrationshintergrund. Die Schule ist bis auf die Stufe sieben (dreizügig) in allen Jahrgängen vierzügig. Die 2013 gegründete Sekundarschule im Neheimer Binnerfeld unterhält eine Kooperationsvereinbarung mit dem Franz Stock-Gymnasium und den beiden Arnsberger Berufskollegs.
Die Schule trägt seit November 2015 den Namen Agnes-Wenke-Schule. Dr. Agnes Wenke war ab 1955 Lehrerin am Neheimer St. Ursula-Gymnasium. Ihr großes Anliegen war die Integration der ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger. So kümmerte sie sich um die Integration der sogenannten „Gastarbeiter“, gründete den Internationalen Arbeitskreis und war Initiatorin des „Dies Internationales“. „Agnes Wenke war nicht nur Lehrerin am Ursula-Gymnasium, sondern Lehrerin für die ganze Stadt Arnsberg“, würdigte sie der damalige Arnsberger Bürgermeister Hans-Josef Vogel. „Sie hat auf eindrucksvolle Art deutlich gemacht, dass Menschen in einer Stadt nicht nur zusammenarbeiten, sondern auch zusammenleben.“ Dr. Agnes Wenke starb 2012 im Alter von 101 Jahren.