Wohnkonzepte der Zukunft
Wie wird das Wohnen der Zukunft aussehen? Werden wir eng zusammengepfercht in Hochhäusern leben, weil der Wohnraum schon jetzt knapp ist und Immobilienpreise, Mieten und vor allem Mietnebenkosten in die Höhe geschnellt sind? Oder leben wir dann in Tiny-Houses oder in „Farmscrapers“, gläsernen Gebäuden, in denen Obstplantagen zur Selbstversorgung Platz finden? Zwar gibt es all diese Gebäude schon, doch erst mal wird es weiter die „normalen“ Häuser geben, in deren Inneren sich schon in den letzten Jahren sehr viel verändert hat. Eines steht heute schon fest: Das Wohnen und Leben wird flexibler.
Text: Christel Zidi



Der Trend zu smarten Häusern geht weiter. Diese übernehmen immer mehr Funktionen, überwachen und steuern Systeme, berücksichtigen nachhaltige Energiekonzepte. Smarte Häuser werden in Zukunft auch untereinander stärker vernetzt, so wie das heute schon in der spanischen Stadt Santander, dem Paradebeispiel einer Smart City, der Fall ist. Smarte Häuser passen sich den verschiedenen Lebensphasen ihrer Bewohner an (barrierearm, Homeoffice, Wallboxen etc.) und bieten ein Höchstmaß an Sicherheit, Komfort und immer stärker auch an Flexibilität.
Bauunternehmen, auch im Sauerland, haben längst reagiert und bieten Niedrigenergie, Plusenergie- und Passivhäuser an. Natürlich unter Berücksichtigung der Kosten, denn schließlich muss sich so ein Konzept auch mittelfristig lohnen.
Smart von innen und außen
Architekten, Planer und Innenarchitekten werden auch künftig alle Hände voll zu tun haben. Denn im Inneren der Häuser wird sich einiges ändern, angepasst an die sich wandelnde Gesellschaft mit ihren vielen Facetten. Ebenso wird das „Smart Being“ eine immer größere Rolle einnehmen. Schließlich wollen wir trotz aller Veränderungen auch möglichst gesund leben. Zum Beispiel durch Wandfarben, die Schadstoffe aus der Luft filtern (Prinzip Phokatalyse) oder durch die Vitamin-C-Dusche. Kücheninseln gibt es bereits, die Abfälle in Methangas umwandeln und dies als Brennstoff für Leuchten nutzen, sogenannte „Bio-Digester Kitchen Island“. Und natürlich das Urban Gardining, der eigene kleine Gemüseanbau auf dem Balkon.
Mehr und kleinere Wohnungen
Wohnraum in der Stadt ist heute schon knapp und die Mietkosten steigen. Viele, vor allem junge Familien, zieht es daher aufs Land, vorausgesetzt die Breitband-Versorgung stimmt. Doch auch hier im Sauerland sind freie Baugrundstücke nicht mehr leicht zu finden und die Immobilienpreise in die Höhe geschossen.
Seitens der NRW-Landesregierung soll mehr geförderter und somit bezahlbarer Wohnraum in allen Marktsegmenten geschaffen werden. Gefördert wird die Neuschaffung von Mietwohnraum in Mehrfamilienhäusern sowie Mieteinfamilienhäusern. Zusätzliche Anreize zum Bau von energetisch höherwertigen Standards sind gleichzeitig ein Beitrag zum Klimaschutz.
Den Trend zu Tiny-Häusern gibt es schon seit einiger Zeit, künftig wird es aber auch immer mehr kleinere Wohnungen geben, damit sich möglichst viele Menschen überhaupt noch eine Wohnung leisten können. Sharing-Economy hat dabei auch in der Wohnungswirtschaft Einzug gehalten. Auf diese Weise kann ein hoher Wohnstandard auch kostengünstig erreicht werden.
Für größere Wohnprojekte macht es Sinn, verstärkt in Wohnkonzepte zu investieren, die auf der gemeinschaftlichen Nutzung von Flächen basieren. Das können eigene Wohneinheiten mit Gemeinschaftsräumen sein (Cluster-Wohnungen), das Co-Housing mit mehreren Häuser und Gemeinschaftsflächen bzw. -räumen und ebenso Co-Working-Büros, bei denen sich mehrere Firmen oder Freiberufler ein Wohnobjekt teilen.
Folgende Wohnkonzepte werden das künftige Wohnen bestimmen:
Beim Conceptual Living, dem konzeptionellen Wohnen, werden Räume für unterschiedliche Bedürfnisse genutzt, sie werden flexibler. Es entstehen immer häufiger Zonen innerhalb der Räume. Flexible Zonen, die je nach Bedarf verändert werden können und so den Alltagsanforderungen gerecht werden. So kann das Wohnzimmer mal als Homeoffice dienen, mal als Esszimmer. Die strikte Festlegung auf nur eine Nutzung entfällt. In diesen kleineren Wohnungen werden auch Einrichtungsgegenstände mehrere Zwecke erfüllen. Betten oder Küchentische z. B., die mit wenigen Handgriffen zum Schreibtisch umgebaut werden können. Umgesetzt werden solche Ideen bereits in Tiny-Houses, die auf engstem Raum alles bieten, was eine große Wohnung oder sogar ein Haus normalerweise bieten. Nur eben genial verschachtelt und modular umgesetzt. Gelebter Minimalismus. Daneben gibt es offene Etagen mit rollbaren Zimmern, Wohnwürfel von etwa 5 m², die Privatsphäre bieten. Darin gibt es ein Bett, das gleichzeitig als Couch dient. Eine Wand mit Stecklöchern, für Regale oder zum Einhängen einer Schreibtischplatte. Solche Wohnungen besitzen neben den Cubes größere Gemeinschaftsräume, die sowohl Co-Working-Space als auch Wohnzimmer sind.
Auch beim Collaborative Living findet das gesellschaftliche Leben zu einem großen Teil in Gemeinschaftsbereichen statt. Das kann eine größere Wohnung, ein Haus oder eine kleine Siedlung sein. Das Mehr-Generationen-Wohnen, nicht nur für Familien, gibt es bereits häufiger als man denkt. Im Sauerland gibt es recht unterschiedliche Projekte: In Meschede die Kommune “Gut Möglich” und die WG “Gute Freunde”, ebenfalls das „Wohnen über dem Maiknapp“, mit Apartments, die in Form einer Gruppenwohnung zusammengefasst sind. Hier bekommt jeder ein eigenes Apartment und außerdem steht ein Gemeinschaftsraum pro Geschoss zur Verfügung. Im “Garten.Hof.Neheim” bilden fünf Einfamilienhäuser mit eigenem Garten und ein gemeinsames Hofhaus auf dem Gemeinschaftsgrundstück eine Einheit. Medebach hat mit dem “Wohnquartier Hengsbecke” Platz für alle Generationen. Hier sind mehrere Wohnungen und eine Senioren-WG in Planung. Das Schmallenberger Projekt zeugt nicht nur von Weitblick, sondern bietet ihn auch durch seine Architektur. Neben 40 modernen Wohnungen entstehen hier in einem der vier Gebäude zusätzlich eine Tagespflegeeinrichtung mit 21 Plätzen und ein Gesundheitskiosk. Die spirituell ausgerichteten Mitglieder des „Neue Erde Projekt Hochsauerlandkreis“ suchen noch Gleichgesinnte und haben die Vision, gemeinschaftliche und gemeinwohlorientierte Projekte zu verwirklichen, z. B. kreative Wohnprojekte, eventuell sogar ein gemeinwohlorientiertes Dorf.
Stadtplaner arbeiten schon länger daran, auch ganze Städte als Wohnlandschaft verstehen. „Third Place Living“ nennen sie das und rücken den öffentlichen Raum als dritten Lebensbereich in den Fokus. In Warstein findet sich ein solches “Future Home 3.0” (kurz “FH3) in einem historischen Gebäude am Marktplatz. Insgesamt nichts ganz Neues, denn schon Ernest Hemingway arbeitete lieber im Café als in der Enge seiner Wohnung. Und hatte dabei die besten Ideen für seine Romane.