Zur Rolle der Frau - nicht nur im Sauerland
Noch immer müssen Frauen in fast allen Ländern für ihre Rechte – im Beruf und im Privatleben – kämpfen. Wie sie zum Thema Rollenverteilung und Gleichstellung stehen, ist von unterschiedlichen Faktoren abhängig. Alter, Beruf, Bildung und Herkunft prägen uns, aber auch Erfahrungen und die derzeitige Lebenssituation. Zum bevorstehenden Frauentag am 8. März haben wir vier Sauerländerinnen Fragen zur Rollenverteilung und Gleichstellung gestellt. Erwartungsgemäß sind die Antworten - zum Teil - sehr unterschiedlich ausgefallen.
Text Christel Zidi
Fotos: privat

ImSauerland: Was könnte Ihrer Meinung nach in Sachen Gleichberechtigung im ganzen privaten Kreis besser laufen?
Charlotte Merz, Richterin : Da hat sich in den letzten Jahren doch viel getan in der Gesellschaft, Väter und Partner bringen sich doch mittlerweile häufig sehr intensiv ein in Haushalt und Kinderbetreuung und umgekehrt wird dies - von den Frauen - auch von ihnen erwartet. Den internen Verbesserungsbedarf müssen die Frauen und Männer in den Paarbeziehungen selbst definieren.
Ursula N., Rentnerin: Man sollte seinen Partner mit allen Schwächen und Stärken akzeptieren und respektieren und was der eine nicht kann oder will, dass sollte der andere, ohne zu murren, übernehmen. Hand in Hand die Partnerschaft leben.
Franziska S., Tätowiererin: Ich kenne es, dass man als Frau oft nicht ernst genommen wird. Gerade, wenn man sich mal über etwas aufregt, mal kurz einen emotionalen Ausbruch hat, wird das schnell als Rumzicken abgetan oder mit einem „Beruhig dich doch mal“. Allerdings sind Männer ja oft genau so emotional. Sie schlucken das oft runter – aber dann braut sich der Frust auf. Emotionen zeigen sich ja auf verschiedene Arten und das sollte man auch immer ernst nehmen, egal, wer oder was vor einem steht.
Nicole Jerusalem, Anwältin.: Ich kenne so viele tolle Frauen mit großartigen Fähigkeiten und Talenten, die sie aber gar nicht für sich und ihre Ideen einbringen können. Stichwort Care-Arbeit* - aber es fehlt sicher auch an Mut und Support. Ich merke in Gesprächen, dass dies frustrierend ist. Dies wird sich aber auch irgendwann in den jeweiligen Rentenbezügen bemerkbar machen. Daneben beobachte ich immer mehr, wie stark prägend die inneren Bilder, die Mann oder Frau von der Welt hat, sind. Insofern begrüße ich, dass beispielsweise die Nachrichtensender darauf achten, dass auch weibliche Fachleute zu jedem erdenklichen Thema interviewt werden.
Was mich wirklich erschreckt hat, sind Zahlen aus der aktuellen Autoritarismus-Studie der Uni Leipzig. Jeder vierte Mann hat demnach ein geschlossen antifeministisches Weltbild (und jede 10. Frau) und knapp die Hälfte aller Männer stimmen mindestens einer antifeministischen Aussage zu. Diese Haltung, dass Frauen also nicht die gleichen Rechte und nur mindere Fähigkeiten besitzen, ist also heute noch salonfähig. Das muss also zwangsläufig auch auf meinen Bekannten- und Freundeskreis zutreffen. Für Deutschland ist da noch viel zu tun.
*Anm.: Care-Arbeit bezeichnet Tätigkeiten der Fürsorge, des Pflegens und Sich-Kümmerns.
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Es gibt Männer, die loben die Emanzipation und sind stolz auf ihre Frau, die nicht nur Vollzeit arbeiten geht, sondern sich auch weiter um den gesamten Haushalt und meist auch noch um die Kinder kümmert. Das betrifft nicht nur die Generation unserer Großeltern und Eltern, sondern oft auch jüngere Paare. Ist das die Rollenverteilung noch nicht wirklich in den Köpfen angekommen oder haben einige Männern die Emanzipation anders verstanden?
Nicole J.: Mein Eindruck ist das in der Tat oft. Es gibt viele Theoretiker, die behaupten, Kinder, Haushalt, möglicherweise Ehrenamt und Job sei alles nur „eine Frage der Organisation“, meinen aber damit, dass die Mütter oder pflegenden Frauen einfach nur noch ein bisschen schneller durchs Hamsterrad flitzen sollen. Die Zahlen zum Gender Care Gap** geben leider auch wieder, dass die unbezahlte Care-Arbeit auch weiterhin zum größten Teil durch Frauen gemacht wird.
Charlotte M.: Meiner Wahrnehmung nach teilen sich jüngere Paaren die Haus- und Familienarbeit viel gleichmäßiger als das noch bei ihren Eltern und Großeltern der Fall war. Das Hauptproblem stellt sich für Paare doch dann ein, wenn Kinder da sind und beide Elternteile sich entscheiden, weiterhin berufstätig zu sein. Es ist in Deutschland noch viel zu wenig üblich, dass Berufstätigkeit und Kinderbetreuung gleichmäßig auf beiden Schultern verteilt werden, indem beide gleichmäßig ihre Arbeitszeit reduzieren (z.B. auf 2/3) und sich um die Kinderbetreuung kümmern. Dazu kommt die nach wie vor verbesserungswürdige externe Betreuung in Kindergärten, Kitas und Schulen.
Ursula N.: Es hat ja was mit der persönlichen Einstellung zu einer Sache zu tun, wie man damit umgeht und was man daraus macht. Es hat, glaube ich, nichts mit der Generation zu tun. Früher gab es schon Männer, die im Haushalt mitgemacht haben und sich auch um die Kinder kümmerten und heute gibt es die ebenso. Genauso gibt es heute Männer, die im Haushalt gar nichts machen. Das hat meines Erachtens nichts mit der Emanzipation zu tun. Was ist denn eigentlich Emanzipation? Dass eine Frau die gleichen Rechte wie ein Mann hat? Jede Frau hat es selbst in der Hand sich zu emanzipieren. Wenn sie einen starken Willen hat, dann kann sie die gleichen Jobs wie ein Mann haben, die gleichen Autos fahren und und und.
Franziska S.: Wenn beide berufstätig sind, sollte man sich die Arbeit auch teilen.
Am 8. März ist Frauentag

Die meisten Bauarbeiter verzichten heutzutage auf anerkennende Pfiffe beim Anblick vorrübergehender Frauen und selbst viele, eigentlich wortgewandte Männer verkneifen sich so manche Schmeichelei, denn die Grenze zwischen unglücklich gesetztem Kompliment und verbaler sexueller Belästigung ist nicht gleich jedem klar. Wie ist das das bei Ihnen? Haben Sie diese Pfiffe jemals gestört und fehlen Ihnen spontane Komplimente?
Nicole J.: Ich habe den Eindruck, dass grundsätzlich nicht mehr gepfiffen wird. Gegen ehrlich gemeinte Komplimente hat wohl kaum jemand etwas. Mich hat ein Pfiff nie gestört, aber ich befand mich auch nie in einer bedrohlichen oder brenzligen Situation, als das geschah. Wenn aber freundlich klingende Worte und Gesten einen anderen Hintergrund haben, mich also klein machen oder mich „auf meinen Platz verweisen" sollen, dann stört mich das massiv.
Charlotte M.: Solche Vorstellungen haben sich doch mittlerweile überlebt. Ich glaube jeder Mensch - Frau und Mann – freut sich über ein ehrliches und wertschätzendes Kompliment.
Franziska S.: Ich bin absolut kein Fan von Catcalling***, von ungefragten Komplimenten und Hinterherrufen. Ich bin als junge Frau in Schmallenberg aufgewachsen und froh, wenn ich nachts meinen Hund an der Seite habe. Es ist schon manchmal unheimlich, wenn betrunkene Männer unterwegs sind und einem hinterherrufen oder pfeifen.
Ursula N.: Ich fand es nicht belästigend, wenn mir in meiner Jugend und auch im späteren Erwachsenalter Männer hinterhergeschaut oder gepfiffen haben. Wenn man sich ordentlich rausgeputzt hatte, dann durfte das meiner Meinung nach auch anerkennend durch solche Dinge kommentiert werden. Letztendlich putzt man sich ja raus, um dem anderen Geschlecht zu gefallen, das ist ja auf beiden Seiten gleich. Ich schaue und pfeife nach wie vor einem schicken Kerl hinterher und finde das auch gut so.
Wäre es nicht sinnvoll, neben der Gleichberechtigung auch die Unterschiede und die Besonderheiten des „anderen“ Geschlechts zu betonen?
Ursula N.: Habt ihr keine Augen im Kopf? Was machen denn die ganzen jungen Dinger heutzutage. Die ziehen doch alle super sexy und enge Kleidung an, so dass ein Mann gar nicht drum rum kommt genau hinzuschauen und den Kopf zu drehen. Und die meisten Männer legen mehr Parfum als jede Frau auf, um gut für das andere Geschlecht zu duften.
Nicole J.: Ich bin unbedingt dafür, dass die Unterschiede erkannt, respektiert und auch wertgeschätzt werden. Allerdings heißt das doch nicht, dass nur Frauen Waschmaschinen, Bügeleisen und Spülmaschinen bedienen und sich um kranke Kinder kümmern.
Franziska S.: Es ist ja nicht so, dass man sagen kann, okay, das ist eine Frau, das ist ein Mann - es gibt ja noch etliche viele Dinge dazwischen, Transsexualität, Transgender und solche Sachen. Und da sollte man auch ganz einfach deren Emotionen und Meinungen respektieren und akzeptieren. Es hat ja keine Auswirkungen auf mich, wenn ich akzeptiere, dass jemand anderes für sich andere Pronomen benutzt oder sonst was. Ich bin sehr dafür, dass jeder das sein darf, was er möchte.

"Je weniger Unterschied zwischen den Geschlechtern, desto weniger sexuelles Begehren", schrieb die amerikanische Soziologieprofessorin Julie Brines vor einigen Jahren. Das bekommen gerade die skandinavischen Frauen zu spüren, die in Sachen Emanzipation weit voraus sind. Viele von ihnen klagen, dass sie von ihren Männern immer häufiger ein „Heute nicht, Schatz“ zu hören bekommen und nach der „anstrengenden Hausarbeit“ immer häufiger mit vorgetäuschten Kopfschmerzen konfrontiert werden.
Charlotte M.: Ich möchte bezweifeln, ob die eingangs formulierte These richtig ist. Denn nach dem Ergebnis einer Untersuchung von Coltrane und Coleman (USA) sind die Frauen umso glücklicher, je mehr Hausarbeit die Männer übernehmen; deshalb haben Paare mehr und besseren Sex, wenn die Hausarbeit gerecht verteilt ist.
Ursula N.: Ich glaube auch nicht, dass Lustlosigkeit, wie es wohl in Skandinavien sein soll, bei Männern durch die Gleichberechtigung kommt, sondern der Alltag in einem Haushalt. Wenn das Nest einmal gebaut ist und Kinder da sind, geben sich die meisten Paare doch gar keine Mühe mehr, sich für den Partner attraktiv zu halten.
Und Nicole Jerusalem sieht eine mögliche Logik: „Wenn es früher angeblich eher die Frauen waren, die keine Lust hatten, dann scheint die Lustlosigkeit wohl in der Übernahme von Hausarbeit begründet zu sein.
Erklärungen:
**Anm.: Kindererziehung, Pflege von Angehörigen, Hausarbeit, Ehrenamt: Frauen wenden pro Tag im Durchschnitt 52,4 Prozent mehr Zeit für unbezahlte Sorgearbeit auf als Männer. Dieser Unterschied wird als "Gender Care Gap" bezeichnet.
*** Catcalling = anzügliches Hinterrufen